Die Berner Britin Emily Maggorian hat beim Brexit-Referendum 2016 nicht abgestimmt. In der Performance «Brexit is My Fault» verhandelt die Theaterkünstlerin ihre Mitschuld am Brexit. Ist es in Ordnung, nicht an einer Abstimmung teilzunehmen? Und wenn der Grund eine durchgemachte Krebserkrankung ist? Inwiefern sind die negativen Folgen des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union (Lebensmittelknappheit, mangelndes Pflegepersonal, etc.) die Schuld von Emily Maggorian? Diese Fragen bespricht die Theaterkünstlerin in Interaktion mit dem Publikum.
Emily Maggorian ist unter folgender Prämisse aufgewachsen: Wer nicht abstimmt, hat kein Recht darauf, sich zu beschweren, schon gar nicht als Frau. Jahrelang hatten Frauen dafür kämpfen müssen, abstimmen zu dürfen. Deshalb sei es schon nochmals etwas anderes, als Frau nicht abgestimmt zu haben, sie fühle sich dadurch richtig schuldig, so Emily Maggorian. Und auch in diesem Zusammenhang hat die Performerin eine persönliche Geschichte zu erzählen: Emily Maggorian trägt den selben Vornamen wie die Suffragette Emily Davidson, die sich kämpferisch für das Frauenstimmrecht einsetzte und dabei ihr Leben verlor.
«Breakfast» ist der häufigste Versprecher beim Wort «Brexit», unzählige Videos von Journalist*innen und Politiker*innen zeugen davon. Aus diesem Grund inszeniert Emily Maggorian die Performance als Kochshow, bei der sie ein typisch englisches Frühstück vorbereitet. Jede Zutat steht für einen politischen oder individuellen Umstand, der in den Akt des Abstimmens miteinfloss. Es wird deutlich: Abstimmen ist kompliziert und vielschichtig.
Emily Maggorian ist es wichtig, dass sich die Menschen bewusst sind, dass sie Dinge verändern können. Mit Ironie trägt sie deshalb eine rote Kochschürze mit der Aufschrift «keep calm and carry on», übersetzt «bleib ruhig und mach weiter». Dieser Spruch geht auf ein Propagandaposter der britischen Regierung zurück, die das Poster im Jahr 1939 produziert hatte, um die Moral der Bevölkerung im Falle eines schweren Militärschlags zu stärken. Veröffentlicht wurde das Poster nie. Bekannt wurde der Spruch erst, als das Poster vor gut 20 Jahren wiederentdeckt wurde. Seither prangt er auf tausenden Geschenk-Artikeln, die Brit*innen würden ihn wie ein Mantra verinnerlichen. Es sei gefährlich, so Emily Maggorian, wenn der Status Quo einfach hingenommen werde. Sie sagt: «I don’t want to keep calm!», übersetzt «Ich möchte nicht ruhig bleiben!». Und das macht sie auch nicht. Ihr Solostück «Brexit is my Fault», das 2020 den 3. Platz des Premio Nachwuchspreises für Theaterkünstler*innen belegte, wird nun in einer abendfüllenden Fassung im Schlachthaus Theater Bern uraufgeführt.
«Brexit ist My Fault» feiert heute Mittwoch 27.10. um 19 Uhr Premiere im Berner Schlachthaus Theater. Weitere Aufführungen finden morgen Donnerstag, Freitag und Samstag jeweils um 20 Uhr statt.