Frauen sind viel häufiger Opfer von Gewalt als selbst Täterinnen. Und doch gibt es sie; Frauen die kriminell werden, verurteilt werden und ins Gefängnis müssen.
Psychotherapeutin Leena Hässig hat während Jahrzehnten Frauen – und auch Männer – in Gefängnissen therapiert. Begonnen hat sie anfangs der 1980er Jahre im Frauengefängnis in Hindelbank.
Der Strafvollzug war dort auf Frauen, insbesondere auf Mütter, überhaupt nicht abgestimmt. «Das schlimmste für die Frauen war, dass sie von ihren Kindern getrennt wurden», so Hässig. Telefonieren konnten sie damals auch noch nicht. Dies änderte sich jedoch, als in Hindelbank eine Mutter-Kind-Abteilung eröffnet wurde, wo verurteilte Mütter ihre jüngsten Kinder während den ersten zwei Lebensjahren bei sich haben konnten.
Doch Konzepte und Fachlichteratur zu kriminellen Frauen fehlen nach wie vor. Laut Hässig ein grosses Problem – insbesondere, weil sich Männer und Frauen in ihren Tatmotiven unterscheiden. «Begeht eine Frau einen Mord, ist dies häufig aus einer Abhängigkeit heraus, aus der sie sich befreien möchte», so Hässig. Wenn sie zum Beispiel in einer gewaltvollen Partnerschaft lebt und ihren Partner umbringt.
In eine therapeutische Behandlung muss dieser Aspekt mit einfliessen. Denn Ziel der Behandlung ist es, eine weitere Gewalttat zu verhindern. «Wenn eine Frau wieder aus dem Gefängnis raus darf, läuft sie aber Gefahr erneut in eine Abhängigkeit zu geraten. Wir haben ja noch lange keine Gleichstellung zwischen Mann und Frau», sagt Hässig. Darum müsse dies unbedingt mittherapiert werden. Bei Männern stellt sich dieses Problem nicht, so Hässig, da diese eher morden, um sich einen Vorteil zu erschaffen.
Auch im Gefängnis sähe ein auf Frauen ausgerichteter Strafvollzug laut Hässig anders aus. Die meisten Inhaftierten in der Schweiz sitzen nämlich in Einzelzellen. «Zwar bringt dies den Vorteil, nicht vor einem Übergriff Angst haben zu müssen», so Hässig. Aber die Einsamkeit sei nicht für alle Inhaftierten das richtige. Die Alternative wären Gemeinschaftszellen, die gerade in Frauengefängnissen laut Hässig vielleicht passender wären.
Darum wünscht sich die Psychotherapeutin, den Strafvollzug für Frauen komplett neu zu denken, die Konzepte von Männern für Männer über Bord zu werfen. «Mich würde es schon nur interessieren, auf welche Ideen man kommen würde, wie ein feministischer Strafvollzug aussehen könnte.»