Das Gentech-Moratorium verbietet den Anbau jeglicher gentechnisch veränderter Organismen in der Schweiz, ausser zu streng regulierten Forschungszwecken.
Seit es im Jahre 2005 in Kraft trat, waren sich die Schweizer Landwirt*innen einig: Am Gentech-Moratorium darf nicht gerüttelt werden. Nun aber beginnt dieser langjährige, geeinte Widerstand der Landwirt*innen zu bröckeln.
Anlass war ein Entscheid des Ständerates. Alle vier Jahre entscheidet das Parlament über eine allfällige Verlängerung des Gentech-Moratoriums. Während der Nationalrat einer weiteren Verlängerung bis 2026 zustimmte, verlangte der Ständerat eine Lockerung. Neue Verfahren wie Genome Editing sollen künftig nicht mehr unter das Gentech-Moratorium fallen.
Ende letzter Woche dann hat die nationalrätliche Wissenschaftskommission WBK-N einen Kompromiss-Vorschlag überwiesen, welcher verlangt, dass der Bundesrat bis Mitte 2024 die Chancen und Risiken der neuen Verfahren prüft und einen Gesetzesentwurf vorlegt, wie diese geregelt werden könnten.
Diesen Kompromissvorschlag unterstützt auch der Schweizer Bauernverband SBV.
Im Unterschied zur traditionellen Gentechnik sei es bei den neuen Züchtungsmethoden so, dass man der Pflanze kein artfremdes Erbgut beifüge. Deshalb lohne es sich abzuklären, ob diese allenfalls zugelassen werden könnten, um die Mehrwerte dieser Züchtungsverfahren nutzen zu können, um beispielsweise den Einsatz von Pestiziden zu verringern, so SBV-Direktor Martin Rufer.
Die Schweizer Bio- und Kleinbäuerinnen ihrerseits können dem Kompromissvorschlag der WBK-N nichts abgewinnen. Der europäische Gerichtshof habe in einem Urteil von 2018 Genome Editing klar als Gentechnik klassifiziert, weil das genetische Material so verändert werde, wie es auf natürlichen Weg nie möglich wäre, betont David Hermann, Medienverantwortlicher bei Bio Suisse.
Auf dieses Urteil angesprochen, entgegnet Martin Rufer, falls die EU beschliesse, die neuen Verfahren weiterhin dem Gentechnik-Verbot zu unterstellen, müsse auch die Schweiz folgen. Trotzdem sei es wichtig, diese Debatten auch in der Schweiz zu führen.
Die Debatte drehe sich um Lösungen, die für die Schweizer Biobauern und Bäuerinnen grundsätzlich nicht zur Debatte stünden, kontert Herrmann von Bio Suisse. Es gehe hier um eine Prinzipienfrage. Für die wachsenden Probleme der Landwirtschaft aufgrund des Klimawandels brauche es keine technischen, sondern systemische Lösungen. Statt in die Entwicklung neuer GVO-Verfahren zu investieren, sollten diese Gelder zur Entwicklung neuer Sorten in der Biolandwirtschaft bereitgestellt werden.
Weiter befürchtet Bio Suisse, dass man mit dieser Debatte ein wichtiges Qualitätsmerkmal der Schweizer Lebensmittel aufs Spiel setze. Falls die neuen Verfahren künftig nicht mehr unter das Gentechnik-Moratorium fallen, könnten die Konsument*innen auch nicht sehen, welche Nahrungsmittel gentechnisch verändert wurden und welche nicht.
Rufer seinerseits betont, welche Produkt am Ende wie gekennzeichnet werden, müsse die Debatte erst weisen.
Ob die neuen Verfahren überhaupt vertieft geprüft werden, entscheidet der Nationalrat in der Frühlingssession.