Sparen dort, wo sowieso kaum Geld vorhanden ist. Der Bundesrat will die Sozialhilfe im Migrationsbereich weiter kürzen und nimmt diesmal Nicht-EU-Bürger*innen ins Visier.
Bereits heute sind die Sozialhilfeansätze für Asylsuchende und vorläufig aufgenommene Ausländer*innen rund 20–30 Prozent tiefer als die regulären Sozialhilfeansätze. Nun soll auch bei Ausländer*innen aus Drittstaaten gekürzt werden. Während der ersten drei Jahre nach Erhalt der Aufenthaltsbewilligung sollen sie weniger Sozialhilfe erhalten.
Wie tief die Ansätze sein werden, dazu steht nichts in der bundesrätlichen Vorlage, weil die Sozialhilfe grundsätzlich Sache der Kantone ist. In der Regel, wenn auch mit immer mehr Ausnahmen, orientieren sich die Kantone dabei an den Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe SKOS.
Die SKOS selber äussert sich in ihrer Stellungnahme sehr kritisch gegenüber dem bundesrätlichen Vorschlag, bei einer weiteren Personengruppe die Sozialhilfe generell zu kürzen. Aus denselben Gründen, wie auch Noémi Weber von der Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht. Die Lebenshaltungskosten in der Schweiz seien für alle gleich hoch und die Ansätze der regulären Sozialhilfe seien schon sehr tief bemessen. Somit werde die bereits existierende Prekarität von Asylsuchenden und vorläufig Aufgenommenen auf eine weitere Gruppe ausgeweitet.
Wie in den Debatten um Sozialhilfekürzungen üblich, stützt sich auch der Bundesrat auf das Anreiz-Argument. Kürze man die Sozialhilfe, würden sich die Betroffenen schneller wieder in den Arbeitsmarkt integrieren. Unberücksichtigt bleibt dabei, dass sehr viele Betroffene aufgrund ihres Asylhintergrundes einerseits einen schweren Rucksack mit sich tragen, und andererseits viele zusätzliche Hürden überwinden müssen. Neben sprachlichen Hürden und fehlender Schul- und Weiterbildung würden auch ihre ausländischen Diplome oft nicht anerkannt. Ganz zu schweigen von den vielen Menschen mit traumatischen Erfahrungen, welche die Arbeitsintegration beeinträchtigen, betont Noémi Weber.
Die Vorlage bedeutet also viel Druck und Prekarität für eine weitere Personengruppe, obwohl völlig unklar ist, wie viel Kantone und Gemeinden damit tatsächlich einsparen könnten. Im bundesrätlichen Bericht stehen keine Zahlen, die Hochrechungen der Wochenzeitung WOZ gehen von Einsparungen von schweizweit maximal 5 Millionen Franken pro Jahr aus. Im Bericht des Bundesrates stehe lediglich, dass die geplanten Verschärfungen den Sozialhilfebezug zwar einschränken würden, ein wirtschaftlicher Effekt auf die Ausgaben in der Sozialhilfe jedoch nicht erwartet werden könne, sagt Noémi Weber. Zudem sei auch nicht untersucht worden, wie sich ein tieferer Ansatz auf die Integration in den Arbeitsmarkt auswirken würde.
Ob die Vorlage die gewünschte Wirkung hätte, ist demnach offen. Für die Betroffenen wären sie in jedem Fall einschneidend. Die Vernehmlassung zur geplanten Gesetzesänderung läuft noch bis am 3. Mai 2022.