Flüchtling ist nicht gleich Flüchtling: In Folge des Ukraine-Kriegs zeigt sich das mit voller Wucht. Während die illegalen Pushbacks von allen anderen Geflüchteten unvermindert weitergehen, werden Ukrainer*innen mit offenen Armen empfangen. Aber eben auch nicht alle.
In den letzten Wochen häufen sich die Medienberichte, wonach ukrainischen Roma und Romnja die Hilfe verweigert wird, es gibt Berichte von Rückweisungen an der Grenze und illegalen Pushbacks.
Die ukrainischen Roma und Romnja sind eine relativ kleine Minderheit. Knapp 50 000 sind es offiziell, ukrainische Roma-Organisationen hingegen sprechen von über 300 000. Der Grund liegt darin, dass sehr viele Roma und Romnja nicht als ukrainische Staatsbürger*innen anerkannt sind. Gemäss der deutschen Gesellschaft für bedrohte Völker besitzen nur rund 40% einen offiziellen Ausweis.
Dies wird ihnen nun im Krieg zum Verhängnis. Ohne Papiere kommen sie meist nur nach Moldawien und von da teilweise weiter nach Rumänien, wo sie jedoch lediglich «geduldet» werden. Der Status der «Duldung» beinhaltet nur minimalste Unterstützungsleistungen und keine Aufenthaltsbewilligung. Zudem erlaubt er es nicht, in andere europäische Länder weiterzureisen. Dem Roma Antidiscrimination Network in Göttingen wurden auch Fälle von illegalen Pushbacks von ukrainischen Romnja von Polen zurück in die Ukraine zugetragen.
Wie in vielen anderen Ländern haben auch in der Ukraine Ausgrenzung, Diskriminierung und tätliche Angriffe gegen Roma eine lange Tradition. Vor 4 Jahren erreichte die Gewalt einen vorläufigen Höhepunkt, als Mitglieder der rechtsradikalen Gruppe C14 ein Roma-Lager in Kiew in Brand setzten, wenige Monate später griffen Rechtsextreme in der Westukraine Romnja-Siedlungen an und töteten einen jungen Rom.
Der Hass gegen Roma in der Ukraine hat eine lange Tradition, auch wenn es ihm aufgrund des Krieges im Moment schwer falle, darüber zu sprechen, betont Kenan Emini, Regisseur und Aktivist vom Roma Antidiscrimination Network. Doch auch aktuell schürten ukrainische Rechtsextreme und Nationalist*innen den Hass gegen Roma und Romnja, mit dem altbekannten Vorurteil, das seien alles Plünderer und Diebe.
Diskriminierung in der Ukraine, Diskriminierung auf der Flucht – nicht von ungefähr fordern immer mehr Organisationen, auch ukrainischen Roma und Romnja in Europa den gleichen Schutz zu gewähren wie allen anderen Ukrainer*innen, egal ob sie Papiere haben oder nicht.
Dieser Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit Radio Dreyeckland in Freiburg.