Ein Mann ertrinkt bei Lesbos, 8 Menschen werden nach einem Schiffsunglück vermisst, 22 Menschen sterben bei einem Schiffbruch bei Paros. Die Liste der bestätigten Todesopfer im Pushback Report 2021 ist lang, noch grösser ist die Dunkelziffer.
Die Organisation Mare Liberum beobachtet die Menschenrechtssituation in der Ägäis und gibt im kürzlich veröffentlichten Pushback-Report 2021 vertiefte Einblicke in die europäische Fluchtabwehr an der griechisch-türkischen Seegrenze.
Der Report zeigt detailliert auf, dass Pushbacks keine Einzelfälle oder «unangenehme Begleiterscheinungen der Grenzsicherung» sind, als welche sie die EU-Staaten und die europäische Grenzschutzagentur Frontex oft darstellen. Pushbacks sind im Gegenteil mittlerweile ein strategisches Mittel der europäischen Staaten, um Menschen davon abzuhalten, nach Europa zu flüchten.
Gemäss Pushback Report 2021 wurden letztes Jahr rund 5000 Geflüchtete von der griechischen Küstenwache in türkischen Gewässern auf manövrierunfährigen «Rettungsinseln» ausgesetzt. Zum ersten Mal dokumentieren konnte die Menschenrechtsorganisation Mare Liberum auch Vorfälle, bei denen die griechische Küstenwache Geflüchtete direkt ins Wasser gestossen hatte. Sie mussten die türkische Küste schwimmend erreichen.
Es gibt zahlreiche Berichte von sexualisierter Gewalt, von demütigenden Entkleidungen und Leibesvisitationen, und von Folter.
Pushbacks verstossen gegen internationales Völkerrecht. Zwar gibt es im Völkerrecht kein Recht auf Asyl, aber es gibt das Recht auf ein Asylverfahren, weshalb es illegal ist, Geflüchtete gewaltsam vom Grenzübertritt abzuhalten.
Nichtsdestotrotz sind letzten Oktober 12 EU-Mitgliedstaaten mit der Bitte an die EU-Kommission gelangt, die heute illegalen Pushbacks mit einer Reform des Schengener Grenzkodexes zu legalisieren.
Eine nicht nur passive, sondern auch aktive Rolle bei den Pushbacks spielt auch die europäische Grenzschutzagentur Frontex, wie verschiedenste Medienberichte bestätigen. Paul Hanewikel, Mitautor des Pushback Reports 2021 krisiert hier auch die lediglich internen Kontrollmechanismen von Frontex, welche ihres Namens nicht würdig seien, weil sie weniger der Kontrolle als vielmehr der Vertuschung dienten. Frontex habe in der eigenen Datenbank bewiesenermassen Daten manipuliert, um Begegnungen mit Geflüchteten und somit auch Pushbacks zu vertuschen.
Der Bericht konzentriert sich auf die griechisch-türkische Seegrenze in der Ägäis. Er stützt sich auf Quellen von zahlreichen Seenotrettungsorganisationen, aber auch auf Daten der türkischen Küstenwache, zumindest insofern sie mit den unabhängig gesammelten Daten übereinstimmen.
Über den Pushback Report 2021 sprach RaBe mit Mitautor Paul Hanewinkel von Mare Liberum: