«Kinder, die häusliche Gewalt erleben, müssen sichtbar gemacht werden», sagt Marlies Haller. Sie ist Geschäftsführerin der Stiftung gegen Gewalt an Frauen und Kindern. Deswegen hat die Stiftung in ihrem Jahresbericht 2021 den Fokus unter anderem auf Kinder gerichtet, die häuslicher Gewalt ausgesetzt sind – als Opfer oder Zeug*innen.
Oft hält sich die Vermutung, dass zum Beispiel Kinder, deren Eltern untereinander gewalttätig sind, die Gewalt nicht mitbekommen. Sei es weil es nachts passiert, wenn die Kinder schlafen, oder sie nicht unmittelbar dabei waren. Darauf sagt Haller: «Kinder bekommen es immer mit, wenn Gewalt ausgeübt wird.» Darum müssten auch sie Unterstützung erhalten, da es die Kinder traumatisieren kann.
Genaue Zahlen zur Problematik gibt es nicht. Wenn Kinder nicht unmittelbar selbst von der Gewalt betroffen sind, zählen sie als Angehörige und gehen so oft vergessen. Dabei seien Unterstützungsangebote wie etwa Frauenhäuser meist mindestens bis zur Hälfte auch von Kindern bewohnt, die ihre Mütter begleiten. «Wir fordern, dass Kinder als Opfer anerkannt werden um diesen Kindern Hilfe zu bieten.»
Was die Stiftung aber insbesondere im letzten Jahr festgestellt hat ist, dass mehr Kinder Beratungen in Anspruch nehmen, die sexualisierte Gewalt erlebt haben. Eine mögliche Erklärung dafür sei laut Haller, dass die erhöhte Sichtbarkeit von Themen wie #metoo, dem Frauenstreik oder den Diskussionen darüber, was als Vergewaltigung zählt, zu einer höheren Sensibilisierung für das Thema geführt haben.
Im Interview erklärt Marlies Haller, warum die Stiftung den Fokus auf Kinder gerichtet hat, wie es Kindern geht, die Gewalt erleben und was sie fordern, damit sich die Situation verbessert.