«Alles wird vorbeigehen, wie ein Maigewitter, wie ein Verhör, das Grinsen eines Polizisten, wie Sewastopol, Donezk und Luhansk. Das geht bestimmt vorbei.»
Die russische Band Pornofilmy blickt auf eine lange Tradition von regime- und systemkritischen Texten und Songs zurück. Den oben zitierten und das gleichnamige Album «es geht vorbei» veröffentlichten sie 2020. Schon zu dieser Zeit stand Pornofilmy auf einer damals noch geheimen schwarzen Liste von unerwünschten Bands der russischen Regierung. Konzerte zu organisieren wurde immer schwieriger, Clubs und Veranstalter*innen standen unter Druck. Seit Kriegsbeginn sei alles noch viel schlimmer geworden, sagte Pornofilmy kurz nach Kriegsbeginn gegenüber der Tageszeitung taz.
Seit März verbietet ein neuer Gesetzesparagraf in Russland die Verbreitung von jeglichen kritischen Informationen über die so genannte «Militäroperation» in der Ukraine. Wer es dennoch tut, riskiert bis zu 15 Jahre Haft.
Gemäss der Journalistin Norma Schneider, welche viel über oppositionelle Kultur und Gesellschaft in Russland publiziert, hatten sich noch im Februar 2022 eine ganze Reihe von russischen Musiker*innen öffentlich und dezidiert gegen den Krieg ausgesprochen und den Angriff auf ihren Social Media-Kanälen klar verurteilt.
Unter ihnen auch die Moskauer Band IC3PEAK. Auch sie übt mit ihrer teils verstörend experimentell-elektronischer Musik und ihren beeindruckenden Kunst-Performances seit vielen Jahren Sozial- und Systemkritik. IC3PEAK solidarisierten sich mit den Protesten in Belarus und kritisierten Putins Reformen hin zu einem immer autokratischeren Führungsstil.
Immer wieder gab es Intermezzos mit den Strafverfolgungsbehörden, Konzerte wurden abgesagt, Sängerin und Produzent wurden inhaftiert, auch IC3PEAK stand auf der schwarzen Liste der Regierung. Mit dem Ukrainekrieg haben die selbsternannten «audiovisuellen Terrorist*innen» Russland zumindest vorerst den Rücken gekehrt.
Repression gegen kritische Kunst und Musik gibt es schon seit Beginn der Ära Putin, betont Norma Schneider. Spürbar verschärft habe sich die Repression dann mit den von der feministischen Punkband Pussy Riot ausgelösten, lauten Debatten über Kunstfreiheit, Religion und Politik. Der Ukraine-Krieg aber habe die russische Gegen- und Protestkultur nun aus der Nische definitiv in den Untergrund verbannt – oder ins Ausland.
Dieser Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit Radio Blau in Leipzig.
IC3PEAK – Dead But Pretty:
Pornofilmy – Alles geht vorbei: