In der Schweiz werden Personen ab dem Zeitpunkt der Geburt im Personenstandsregister als «männlich» oder «weiblich» eingetragen. Es ist nicht zulässig, den Eintrag offen zu lassen oder eine weitere Geschlechtskategorie zu wählen. Non-binäre Personen, die sich also weder als weiblich oder männlich identifizieren, sind so gezwungen, sich trotzdem einer Geschlechtskategorie zuzuweisen. Dasselbe gilt für intergeschlechtliche Menschen, deren körperliche Merkmale nicht eindeutig dem männlichen oder weiblichen Geschlecht zugeordnet werden können.
In anderen Ländern wurde deswegen eine dritte Geschlechtskategorie geschaffen. So ist es in Deutschland beispielsweise möglich, sich neben «männlich» oder «weiblich» als «divers» registrieren zu lassen. Gleich zwei Postulate fordern, dass auch für die Schweiz geprüft werden solle, ob dies möglich sei. Eine der Basler Nationalrätin Sibel Arslan, eines der ehemaligen Waadtländer Nationalrätin Rebecca Ruiz.
Nun hat der Bundesrat gestern die Ergebnisse der Untersuchungen präsentiert. Das binäre Geschlechtermodell sei in der schweizerischen Gesellschaft nach wie vor stark verankert, stellt der Bundesrat fest. Deswegen sehe er die Voraussetzungen für Einführung des dritten Geschlechts als nicht erfüllt. Es sei nicht so einfach, das binäre Geschlechtsmodell zu ändern, da ein solcher Entscheid zahlreiche Konsequenzen mit sich tragen meint, Ingrid Ryser, Informationschefin des Bundesamtes für Justiz. Das können banale Dinge sein, wie wer einen Frauenparkplatz brauchen dürfe. «Aber dann gibt es auch Fragen, die einen Verfassungsänderung benötigen, wie wer Militärdienst leisten muss. Das Spektrum der Änderungen ist sehr sehr breit.»
Die Basler Nationalrätin Sibel Arslan findet die Argumentation nicht nachvollziehbar. Solche weitreichenden Gesetzesanpassungen seien nichts außergewöhnliches, das sei bei wichtigen Veränderungen immer der Fall. Zudem stimme es nicht, dass die Schweizer Bevölkerung für ein drittes Geschlecht noch nicht bereit sei. Auch Alecs Recher vom Transgender Network Schweiz ist von den Ergebnissen des Bundesrates enttäuscht. Der Bundesrat würde nicht die Meinung der Bevölkerung wiedergeben, sondern vor allem seine eigene.
Dem widerspricht Ingrid Ryser. Der Bundesrat habe sich nicht grundsätzlich gegen die Einführung eines dritten Geschlechts ausgesprochen. Es brauche dafür aber einen breite gesellschaftliche Diskussionen. «Die Diskussionen laufen, die Thematik ist aufgenommen, die Menschen diskutieren darüber», meint Ingrid Ryser. Alecs Recher sieht das anders. Solange nur diskutiert werde, sich aber gesetzlich nichts ändere, seien Menschen gezwungen, sich einer Binarität unterzuordnet, obwohl sie nicht in diese hineinpassen. «Dieses amtliche Nicht-Gesehen-Werden ist eine harte Ohrfeige für non-binäre Menschen, immer und immer wieder!»