Ein röhrender VocoDeer, eine scheppernde Juke-Box und der Klang von scharfen Messern – der Studiengang Sound Arts der Hochschule der Künste rückt der Kunst auf den Leib und feiert mit einer klanglichen Accrochage den 1’000’060. Art’s Birthday.
Vor 50 Jahren – am 17. Januar 1973 – geschah beinahe Unglaubliches: Robert Filliou, der Initiator und Erfinder des Art’s Birthday zelebrierte den 1’000’010. Geburtstag der Kunst öffentlich in Aachen, notabene der Kaiserstadt, die einst – aus zentraleuropäischer Sicht – Zentrum des Weltgeschehens war. Noch heute steht da ein steinerner Thron von Karl dem Grossen, der der Überlieferung nach auch die Wasserorgel und optische Instrumente aus dem nahen Osten geholt hat: ex oriente lux!
Konform zu seiner eigenen Aussage „Kunst ist, was das Leben interessanter macht als Kunst“ forderte Filliou zuvor: „keine Kunst an den Wänden“ und ließ die Gemälde in den Museen abhängen, weil er wünschte, dass die Kunst an ihrem Festtag (ohne Kunstwerke) im Leben aufgehen und das Treiben der Teilnehmer:innen bewusst oder unbewusst steuern möge. Er verlegte folglich die Festlichkeiten aus den Kulturstätten auf die Strassen. Filliou wünschte sich für den Tag „internationale Schulferien, bezahlten Urlaub für die Arbeiter der ganzen Welt und spontane Festlichkeiten und Belustigungen rund um den Erdball“ und erklärte den Tag zum Feiertag. Tatsächlich nahmen die Aachener:innen sich frei. Fabriken, Büros und Schulen blieben geschlossen.
Fünfzig Jahre später fühlen Studierende der Hochschule der Künste Bern der Kunst den Puls und füllen imaginär die leeren Wände der Museen mit einer bunten Accrochage aus nie gehörten Klängen.
Mit Körperschallwandlern und selbst gelöteten Kontaktmikrophonen, mit intravenös platzierten Klangerzeugern und Stetoskopen, mit Blasbalgen und allerlei optischen und akustischen Vergrösserungsinstrumenten und mit medizinal-technisch anmutendem Werkzeug rücken sie der 1’000’060 Jahre alten Kunst selbst auf den Leib. Röchelt sie noch, oder pfeift sie auf dem letzten Loch – die Kunst? In einer spiritistisch anmutenden Séance, von ätherischen Klängen begleitet, fragt sich das Personal plötzlich: Und wie klingt denn die Klinge des scharfen Tortenmessers, wie denn der Geburtstagskuchen selbst und macht sich über die Torte her.
Von und mit Tjefin Yao Fankhauser, *2001; Didier Jan Harb, *2004; Benjamin Kaczor, *1991; Caleb Sean Kohler, *2001; Ian Vincent Martinez Hinrichs, *2002; Julian Frederic Meier, *1993; Juli Andrin Poltera, *2001; Mira Lea Pozzi, *1992; Eric Rüeger, *1996; Ananda Aurel Schürch, *2002
Hochschule der Künste Bern (HKB) / SOUND ARTS (Valerian Maly) mit Gästen der Art Action Building Research Group des I.S.B.A Institut Supérieur des Beaux Arts de Besançon (Valentine Verhaeghe).
Die Sendung ging am 17. Januar 2023 von 21 bis 22 Uhr live über den Äther und kann hier nachgehört werden:
Die offizielle Seite vom globalen Art’s birthday mit den Links zu den weltweiten Feierlichkeiten: artsbirthday.ebu.ch