Am 6. April 1943 wurde in New York «Der Kleine Prinz» publiziert, seither wurde das moderne Märchen über achtzig Millionen Mal verkauft. Die namenlose Hauptperson im Märchen ist ein Pilot – genau wie Antoine Saint-Exupéry, Autor des Werkes. Tatsächlich verarbeitete Antoine de Saint-Exupéry im kleinen Prinzen autobiografische Details: Er selbst ist 1935 zwischen Libyen und Ägypten abgestürzt und verbrachte mehrere Tage in der einsamen Wüste. Ist der Pilot im kleinen Prinzen also ein alter Ego de Saint-Exupérys? Joseph Hanimann, der eine Biografie über Saint-Exupéry geschrieben, verneint: «Es ist eher eine Selbstprojektion.»
Antoine de Saint-Exupéry stammt aus dem eher verarmten Adel. Er ist auf verschiedenen Schlössern aufgewachsen, die in einem schlechtem Zustand waren. Eines der Schlösser hatte ein undichtes Dach, doch es fehlte an Geld, es zu reparieren. «Grosses Renomée, grosse Ahnentafeln, aber keine Heizungen und ein leckes Dach – in diesem Bewusstsein ist De Saint-Exupéry aufgewachsen. Nicht, um ein Adeligendasein zu führen, sondern um Flugpilot zu werden und sich die Hände schmutzig zu machen mit dem Reparieren von Flugzeugmotoren.» Hanimann beschreibt De Saint-Exupéry als fröhlichen Menschen. «Er hat von Herzen gerne gelacht – aber nicht dieses oberflächliche Dahinlachen, sondern mit einer gewissen Schwermut. Bei De Saint-Exupéry ist immer irgendwo ein Schatten vorhanden.»
Ein gewisser Schatten liegt denn auch über De Saint-Exupérys Tod: Ende Juli 1944, rund ein Jahr nach der Veröffentlichung des kleinen Prinzen, startete Antoine de Saint-Exupéry seinen letzten Flug, von Korsika aus Richtung Grenoble, wo er aber nie ankam. Er galt als verschollen: Wurde er abgeschossen? Gab es einen technischen Defekt? War es am Ende doch Suizid? Dieses Verschwinden De Saint-Exupérys gab seiner Person eine zusätzliche Mystik, erklärt Joseph Hanimann.

«De Saint-Exupéry war ein unglaublich fröhlicher Mensch.» Joseph Hanimann hat eine Biografie über den Autor geschrieben.
Der Mythos De Saint-Exupéry spiegelt sich auch im kommerziellen Erfolg des kleinen Prinzen wieder: Vor achtzig Jahren wurde der kleine Prinz in New York publiziert. Über achtzig Millionen mal wurde das Buch seither verkauft und in über 500 Sprachen übersetzt. Es ist nach der Bibel und dem Koran das meistübersetzte Werk der Menschheitsgeschichte. Wie ist dieser kommerzielle Erfolg zu erklären? «Der kleine Prinz hat die wesentlichen Züge eines Kinderbuches, und gleichzeitig hat es eine Thematik, die alle Erwachsenen etwas gibt. Es ist diese Mischung aus Naivität und direkt auf unsere moderne Epoche hin geschriebene Thematik», erklärt Joseph Hanimann. An unsere moderne Epoche erinnern mehrere Figuren, die im kleinen Prinz vorkommen; beispielsweise der eitle Narzisst, oder der ernsthafte und gierige Geschäftsmann, der Sterne besitzt. Kritik an Eitelkeit, Kritik an Gier, Kritik an Besitz: Insgesamt sei die Sozialkritik bei De Saint-Exupéry schwer zu fassen, und auch politisch sei er schwer einzuschätzen, meint der Biograf Joseph Hanimann.
Achtzig Jahre nach der ersten Publikation des kleinen Prinzen bleiben also viele Fragen zu dessen Autor: Was war seine Vision auf die Gesellschaft? Wie stand er politisch? Wie kam er ums Leben? All das kreiert einen Mythos um seine Person, der dem Erfolg des kleinen Prinzen eher zu nützen, also so schaden scheint.
Joseph Hanimann ist Journalist und hat eine Biografie über Antoine de Saint-Exupéry geschrieben. Die im Beitrag verwendeten Ausschnitte aus dem Hörbuch «Der kleine Prinz» stammt von Ulrich Mühe.