Wie soll mit dem historische Unrecht des Kolonialismus in der Gegenwart umgegangen werden? Ein wichtiger Teil der Diskussion ist die Rückgabe von Raubgegenständen aus der Kolonialzeit. Um diese sogenannte Restitution dreht sich das Stück The Ghosts are Returning, das im Schlachthaus Theater aufgeführt wird. Sieben Skelette erzählen eine wahre Geschichte über den Kolonialismus und Ausbeutung. Die Skelette trugen die Namen Ngowe, Abelua, Iksati, Aneka,Basaga, Mavuo und Ngala und gehörten den Mbuti an, eine kongolesischen Ethnie, die nomadisch im äquatorialen Wald lebt. Anfang der 1950ger Jahre hat der Genfer Arzt Boris Abé die letzte Ruhe dieser sieben Geister gestört, in dem er ihre Gräber schänden und ihre Knochen ausgraben liess. Die Grundlage seiner Forschung war ein pseudowissenschaftliches Rassedenken. Er wollte den Grund für den eher kleinen Körperbau der sogenannten Pygmäen herausfinden – schon das, eine rassistische Bezeichnung.
Der Arzt Abé sei geradezu besessen gewesen von den Mbuti, erklärt Christiana Tabaro, die im Stück auf der Bühne steht. Sie hat viel recherchiert hat zu der Rolle des Arztes. In seinem Labor habe Abé die Gebeine zerlegt und die Knochen anschliessend nach Genf gebracht, um sie genauer zu studieren. An der Universität Genf verweilen diese Skelette bis heute. In Kisten verpackt, weit weg von dem Ort, an dem sie ursprünglich beerdigt wurden.
Bei den meisten Raubgegenständen ist es schwierig, deren Herkunft genau zu bestimmen. Nicht so bei diesen sieben Skeletten. Abé dokumentierte Namen, Alter, Todesursache und Ethnie akribisch. So weiss man ganz genau, wo die Skelette herkommen. Doch die Universität Genf wollte die Skelette zuerst nicht zurückgeben, da eine Rückführung in den Kongo zu gefährlich sei. Das liess die das Künstler:innenkollektiv 50:50 nicht auf sich sitzen. Sie machten sich auf den Weg in die Demokratische Republik Kongo, um vor Ort genauer zu recherchieren. Schnell hat die Gruppe Angehörige der Mbuti ausfündig gemacht und mit ihnen darüber diskutiert, wie die Skelette wieder zurückgebracht werden könnten. Für viele Angehörige der Mbuti ist klar, dass die Knochen zurückmüssen. Doch einige zeigen sich aus spirituellen Gründen skeptisch. Sie haben Angst, dass mit den Skeletten auch die Geister der Verstorbenen zurückkehren. Diese Angst gibt dem Stück auch seinen Titel: The Ghosts are returning, die Geister kehren zurück. Das Stück probiert diesen Prozess der Rückführung rituell vorzubereiten. Durch Singen, Tanzen und Trauer sollen die sieben Geister zu Ruhe kommen können.
Auf die Bühne gebracht wird das Theater von dem Künstler:innenkollektiv 50:50, ein Kollektiv aus Kunstschaffenden aus dem Kongo, der Schweiz und Deutschland. Diese künstlerische Aufarbeitung hat Erfolg, denn die Universität Genf hat sich dazu bereit erklärt, die sieben Skelette zeitnah zurückzugeben. Die Aufarbeitung sei also die Mühe wert, so Christiana Tabaro.