Es ist Dienstag Nachmittag, du steigst gerade aus dem Bus aus, eine Topfpflanze und eine Einkaufstüte unter dem Arm und da passiert es: “Hey! Darf ich mal ran bei dir?” ruft dir ein Wildfremder von der Bushaltestelle aus zu. Vielleicht denkst du dir: “Was für ein arschiger Typ. Aber was soll’s” – und du läufst weiter. Was jedoch auf den ersten Blick wie eine lästige, aber harmlose Begegnung erscheint, ist in Wahrheit ein viel grösseres Problem mit System.
Täglich erleben hunderte von Menschen solche Zwischenfälle auf der Strasse. Diese verbalen sexuellen Belästigungen nennt man “Catcalling”. Sie sind meist ein ungefragter Kommentar zum Körper oder Aussehen einer weiblich gelesenen Person im öffentlichen Raum. In dieser Sendung Subkutan schauen wir hin. Wir schauen hin, was es mit Betroffenen macht, wie diese reagieren können und vor allem was unsere Gesellschaft tun kann, um den öffentlichen Raum zu einem sichereren Ort zu machen.
Catcalls of Zurich – das Gehörte sichtbar machen
Catcalling findet überall statt. Auf den Strassen, im ÖV, in Einkaufszentren. Lea kämpft mit den Aktivist*innen von Catcalls of Zurich mit Kreide bewaffnet gegen diese Form der Belästigung. Hüseyin Aydemir traff Lea am HB Zürich und begleitete sie bei einer ihrer Aktion mitten im Rushhour. Das internationale Netzwerk der Aktivist*innen findest du hier.
Kompliment und Erniedrigung im gleichen Akt
Catcalling hat etwas perfides. Der Akt ist eine Bestätigung und eine Abwertung zur gleichen Zeit. Wenn man dieses Paradox mit dem Konzept von Male Validation verbindet, wird es noch gravierender. Male Validation sagt nichts weniger, als dass weiblich sozialisierte Personen von Kind auf darauf getrimmt werden, nach männlicher Bestätigung zu suchen. Und dass diese männliche Bestätigung sodann einen wesentlichen Anteil hat am empfundenen Selbstwert der Personen. Yamila Sofia Pita ist Doktorandin in Gender Studies und Soziologie am interdisziplinären Zentrum für Geschlechterforschung vor Universität Bern. Unsere Redaktorin Mona Siegenthaler hat sie getroffen, um Licht ins Dunkel zu bringen.
Belästigung melden auf bernschauthin.ch
Ich bin kein Hund – imfall!
Es gibt wohl kaum eine weiblich gelesene Personen, die Catcalling nicht kennt. Anne Estermann hat auf den Strasse von Bern mit Passant*innnen gesprochen. Sie sprachen über gemachte Erfahrungen – und über Möglichkeiten, auf Catcaling zu reagieren. Ein feministisches Potpourri in der Collage von Anne Estermann.
Tipps für Betroffenen:
- Sich von dem Fehlverhalten des Täters distanzieren: Die negativen Eigenschaften nicht bei sich selbst suchen!
- Klare Verhältnisse schaffen: Vorsichtig sein, sich abgrenzen und deutlich sagen, dass man das nicht will und das nicht in Ordnung ist.
- Körperlichen Abstand halten: Kein Gespräch initiieren und sich aus der Situation entfernen, um für Abstand und Schutz zu sorgen.
- Das Fehlverhalten vor anderen enttarnen: In Gegenwart anderer Personen kann auch laut benannt werden, was eine Person tut, um auf das Fehlverhalten aufmerksam zu machen.
Tipps für Personen, die Catcalling miterleben:
- Freunde oder auch Fremde zurechtweisen, wenn sie eine Person verbal belästigen.
- Je nach Situation auch das Opfer ansprechen und fragen, ob es Hilfe braucht.
Ausführlichere Tipps gibts hier.