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«Das Stück ist ein Appell, die Trauer zu politisieren»

Kennt ihr das? Man geht im Spätsommer in die Berge, schaut sich die herumliegende Landschaft an, betrachtet die Eisfelder und die schwindenden Gletscher, und plötzlich ist da in der Brust dieses beklemmende Gefühl. Diese Gewissheit, dass diese Landschaft, wie man sie vor sich hat, bald nicht mehr sein wird. Dass die Gletscher verschwinden, die Bäche versickern, die Wälder verdursten. Ein Verlust, dessen Ausmass unsere Vorstellungskraft übersteigt. Dieses Gefühl hat einen Namen: Solastalgie. Solastalgie ist das Gegenstück zur Nostalgie. Während diese in die Vergangenheit blickt, beschreibt Solastalgie die Trauer über einen Verlust, der uns noch bevorsteht.

Diese Solastalgie wird dieses Wochenende im Schlachthaus Theater verhandelt. Benjamin Burger nimmt das Publikum in einer autofiktionale Solo-Performance mit auf den erodierenden Rhonegletscher. «Dieses Gefühl, dass ich in eine schon verlorene Landschaft schaue, hatte ich auf dem Gletscher zum ersten Mal», so Burger.

Die Geotextilien sollen das Abschmelzen des Rhonegletschers schützen. Für Benjamin Burger wird der Gletscher dadurch geisterhaft (Foto: Benjamin Burger)

Neben der  Trauer über den sterbenden Gletscher kam in ihm während seiner Schaffenszeit aber noch die Trauer um seine verstorbene Grossmutter auf. «Das war total verrückt, wie sich diese Trauer transformiert hat: Zuerst über den Gletscher, der stirbt, und dann über meine Grossmutter. Das hat mich überrascht!». In seiner Performance verwebt Burger die beiden Verluste miteinander. Der schmelzende Gletscher weckt einen alten Familienspuk, der sich um einen gewalttätigen Grossvater dreht. Das Leben der Grossmutter wandelt sich von einer Märchenerzählung zu einer Widerstandsgeschichte. «Das Stück ist ein Appell, die Trauer zu politisieren und deren Ursprung zu verfolgen», so Burger.

Die Performance Solastalgia – A Ghost Story ist am 7., 8. und 9. November im Schlachthaus Theater zu sehen, jeweils um 20 Uhr.

Will der Trauer auf den Grund gehen: Benjamin Burger in seiner Performace «Solastalgia» (Foto: Michael Meili)