RaBe-Info
Von
Simone Keller
am
6. März 2025
«Oft finden wir nur noch Schädel, Gliedmassen oder Organe vor.»
Das Zivilschutzteam in Gaza bei der Bergung von getöteten Palästinenser*innen. (Foto: Zivilschutz Gaza)

Vergangene Woche ordnete der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu die Schliessung aller Grenzübergänge nach Gaza an. Die Lieferungen von Hilfsgütern und Nahrung nach Gaza wird so verhindert und die Lebensmittelpreise stiegen rasant in die Höhe. Diese Entscheidung fiel zusammen mit dem Abschluss der ersten Phase des Waffenstillstands und dem Beginn des Fastenmonats Ramadan.

Gemäss Menschenrechtsorganisationen handelt es sich bei der erneuten Blockade der Grenzen um einen systematischen Einsatz von Hunger als Waffe. Die Vereinten Nationen halten in einem kürzlich veröffentlichten Statement fest, dass es sich dabei um schwere Verstösse gegen das humanitäre Völkerrecht und die Menschenrechte sowie um Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne des Römischen Statuts handle. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International oder Human Rights Watch kommen durch ausführliche Berichte zum Schluss, dass Israel in Gaza einen Völkermord an den Palästinenser*innen begangen habe hat und weiterhin begehe. Darunter gehöre auch der Entzug von Nahrung und humanitären Hilfsgütern.

«Oft finden wir nur noch Schädel, Gliedmassen oder Organe vor, die nicht mehr zugeordnet werden könnten.»
Mahmoud Basal Sprecher des Zivilschutzes Gaza

Mahmoud Basal ist Sprecher des Zivilschutzes in Gaza und befindet sich aktuell in Gaza Stadt. Die Realität der Palästinenser*innen sei auch nach dem Waffenstillstand katastrophal. Fünfzehn Monate unerbittlicher israelischer Bombardements hätten den Grossteil, der für die Lebenserhaltung im Gaza notwendigen Infrastruktur zerstört, so Basal.

Mahmoud Basal und seine Kollegen retten die Menschen nach israelischen Bombardements und Angriffen aus den Trümmern. Sie bergen die Körper der Toten. Nach dem Waffenstillstandsabkommen vom 19. Januar 2025 sei es vor allem darum gegangen, die von Israel kontrollieren Gebiete zu sichern. Doch Arbeit sei für ihn und sein Team nach wie vor schwierig, denn die Kapazität des Zivilschutzteams würden nicht ausreichen. Ausserdem gab es auch

Gerade im Zentrum und im Norden Gazas, wurden die Gebiete von israelischen Truppen stark kontrolliert. Dort hindurch führte auch der Netzarim Korridor – Dieser sei auch bekannt gewesen als Todeszone, so Mahmoud Basal. Denn viele palästinensische Zivilist*innen sind dort bei der Flucht von Nord nach Gaza Stadt von israelischen Streitkräften getötet worden.

«Ihre Namen landen auf der Liste der Vermissten und ihr Schicksal bleibt so für immer ungewiss.»
Mahmoud Basal Sprecher des Zivilschutzes Gaza

«In dieser Gegend tauchen täglich Leichname auf», so Mahmoud Basal. Das schlimmste sei, dass die Menschen nicht identifiziert werden können: «Oft finden wir nur noch Schädel, Gliedmaßen, Organe und Skelette vor, die nicht mehr zugeordnet werden könnten.»

Dasselbe bei den Massengräbern, die Mahmoud Basal und sein Team in Gaza entdeckten. Diese wurden von israelischen Truppen ausgehoben und mit den toten Körpern der Palästinenser*innen gefüllt. Im Gegensatz zu den Gefangenen Palästinenser*innen würden die Getöteten nicht mehr identifizierbar «Ihre Namen landen auf der Liste der Vermisste und ihr Schicksal bleibt so für immer ungewiss.», sagt Mahmoud Basal betrübt.

Neben den Vermissten Menschen stelle auch die Zerstörung der Infrastruktur ein massives Problem dar. Es gebe noch immer keine funktionierenden Spitäler. Pflegepersonal und Ärzt*innen wurden durch israelische Soldaten gezielt getötet und verhaftet. Beispielsweise sorgte die Verhaftung des Arztes Dr. Hussam Abu Safya international für Kritik. Am 27. Dezember 2024 stürmte das israelische Militär das Kamal-Adwan-Krankenhaus in Mashrou' Beit Lahiya und nahm den Direktor sowie weiteres medizinisches Personal und Patient*innen willkürlich fest. Menschenrechtsorganisationen fordern die Freilassung von palästinensischem Gesundheitspersonal. Mahmoud Basal erklärt, dass die Zivilist*innen aufgrund der zerstörten Infrastruktur Schwierigkeiten hätten, überhaupt in die Spitäler zu gelangen. Der Weg dauere mehrere Stunden zu Fuss. Denn Transportmöglichkeiten gebe es kaum.

Die nächsten Schritte der Waffenruhe sind noch immer unklar. Klar ist aber, dass Mahmoud Basal und sein Team dringenst Unterstützung brauchen. Der Zivilschützer meldet, dass auch aus seinem Team über hundert Personen getötet, über Dreihundert verletzt und über Zwanzig gefangen genommen wurden. Mahmoud Basal verlangt, dass internationale Gemeinschaft hinschaue und seinem Team Schutz gemäss den Genfer Konventionen und des humanitären Völkerrechts Schutz gewähren.

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