RaBe-Info
Von
Simone Keller
am
11. März 2025
«Za’tar ist der Geschmack Palästinas»
Kräuter-Ernten ist kulturelle Tradition: Palästinenser*innen beim Sammeln von wildem Akkoub und Za'tar. (Filmstill: Jumana Manna «Foragers» (2022))
Foto: Kräuter-Ernten ist kulturelle Tradition: Palästinenser*innen beim Sammeln von wildem Akkoub und Za'tar. (Filmstill: Jumana Manna «Foragers» (2022))

Essen verbindet. So sieht das auch Maisan Hamdan. Die meisten Menschen würden ihre Gerichte mögen, schmunzelt die Schriftstellerin und Aktivistin. Beim Kochen achte sie nicht nur auf Geschmack, sondern auch auf die Farben.

Mit Kochen möchte, die Schriftstellerin und Aktivistin das palästinensische Erbe und Ess-Kultur erhalten. Aufgewachsen in der Berg Karmel Region lernte sie die palästinensischen Gerichte und Kräuter über ihre Vorfahren kennen. Sie erinnert sich, wie sie in ihrer Kindheit ihrer Mutter und Grossmutter beim Kochen zugesehen habe. Ihr Interesse hänge aber auch mit der Angst zusammen - Die Angst dieses Erbe und die Esskultur zu verlieren. Maisan Hamdan beobachtet, dass neuere Generationen weniger verbunden seien mit Rezepten und dem kulturellen Erbe der palästinensischen Esskultur. 

«Za’tar ist der Geschmack Palästinas.»
Maisan Hamdan Schriftstellerin und Aktivistin

Auf die Frage welche Zutat für sie besonders wichtig sei, antwortet Maisan Hamdan: «Za’tar ist der Geschmack Palästinas.» In der Gegend um den Karmel-Berg könne man das Thymian-Kraut besonders zwischen der Winter- und Frühlingszeit gut riechen, erzählt Maisan Hamdan. Das Kraut habe einen starken Geschmack und könne in verschiedensten Varianten verwendet werden.

Als Kind sei sie viel mit ihrer Mutter in den Bergen unterwegs gewesen. Dort habe sie Wildpflanzen wie Za’tar und das artischockenähnliche Akkoub (dt. Gundelia oder Taumeldistel) entdeckt. Ihre Mutter wisse, welche Kräuter gegessen, welche als Tee getrunken oder als Medizin verwendet werden können. Auch Maisan Hamdans Grossvater sei Imker, Jäger und Naturheilkunder gewesen und verfügte über ein breites Wissen über die Natur.

Das Ernten von Kräutern sei eine wichtige Praxis im alltäglichen Leben Palästinenser*innen, erklärt Maisan Hamada. Es sei jedoch so, dass die israelische Besetzung von palästinensischem Land und durch Israel implementierten Gesetzte diese Tradition verhindern würden.

Das israelische Landwirtschaftsministerium deklarierte im Jahr 1977 das wilde Za'tar zu einer «geschützten Pflanze» in Israel und regelte seine Ernte streng. Begründet werde dies mit der sogenannte «Überernte» der Kräuter. Dass das Sammeln von Kräutern und Pflanzen übermässig geschehe und so der Natur schade, darüber gibt es keine verlässlichen Berichte.

Das Sammeln und Besitzen von wilden Kräutern wurden so jedoch zur Straftat. Das stachelige Akkoub erlitt ein ähnliches Schicksal, als es 2005 unter «Schutz» gestellt wurde. Historiker*innen, Geograf*innen und Ökolog*innen behandeln dieses Phänomen in ihrer Wissenschaft. Darunter auch die Umwelthistorikerin Diana K. Davis ihrem Sammelband «Environmental Imaginaries of the Middle East and North Africa» (2011). Mit der Errichtung von Naturparks und neuen Umweltgesetzen, können so Land und das alltägliche Leben von Indigenen beschnitten werden, so Davis. Einige Wissenschaftler*innen, darunter der Professor für Umwelt Geschichte Giullaume Blanc verwenden dafür auch das Konzept des «grünen Kolonialismus». Es handle sich dabei um ein Vorgehen, dessen Wurzeln in kolonialen Praktiken liegen.

«Das Sammeln und Verarbeiten der Kräuter ist ein existenzieller Bestandteil von palästinensischem Leben. Diese Kultur wird ausgelöscht.»
Maisan Hamdan Schriftstellerin und Aktivistin

Maisan Hamdan sieht dadurch das kulturelle Erbe der Palästinenser*innen und ihrer Identität gefährdet. «Das Sammeln und Verarbeiten der Kräuter ist ein existenzieller Bestandteil von palästinensischem Leben. Diese Kultur wird ausgelöscht», fürchtete Maisan Hamdan und fährt fort: «Es ist ein cleverer Weg, um die Existenz einer Gruppe von Menschen auszuradieren.»  

Die Kriminalisierung der Za'tar-Ernte wirke sich unverhältnismässig negativ auf Palästinenser*innen aus. Zu diesem Schluss kommen verschieden Menschenrechtsorganisationen, darunter die unabhängige Organisation und Rechtszentrum Adalah, welches das Ende der Verfolgung und Bestrafung der Kräutersammler*innen fordert. Der Dokumentarfilm «Foragers» (dt. «Sammler») untersucht ebenfalls diese Kriminalisierung der Sammeltraditionen nach israelischem Recht. Die Künstlerin Jumana Manna beleuchtet dabei den Weg der Pflanzen von der Wildnis in die Küchen, uns zeigt die Verfolgungsjagden zwischen den Sammler*innen und der israelischen Aufsichtsbehörde bis hin zur Verteidigung vor Gericht. Dabei fängt die Freude und das Wissen ein, das in diesen Traditionen steckt, sowie ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Verbotsgesetz.

« Wenn die Menschen die Zugehörigkeit, die Verbindung zum Land verlieren, dann ist auch die palästinensische Existenz gefährdet.»
Maisan Hamdan Schriftstellerin und Aktivistin

Auch Maisan Hamdan sieht in der anhaltenden Sammelpraxis eine Form des Widerstands: «Kräuter sammeln ist ein grundlegendes Recht.» Also würden die Menschen weiterhin ihre Pflanzen ernten. Die Strafen seien ihnen dabei egal, erklärt sie und ergänzt: «Wenn die Menschen die Zugehörigkeit, die Verbindung zum Land verlieren, dann ist auch die palästinensische Existenz gefährdet.»

Maisan Hamdan möchte das kulturelle Erben, dass sie von ihren Vorfahren gelernt hat, aufrechterhalten und teilen. Deshalb hat sie ab 2021 mit verschiedenen Kochevents in Berlin gestartet. Denn beim Essen kämen die Menschen zusammen. Dies seien auch Orte um zu Lernen. Maisan Hamdan gehe es nämlich darum, den Menschen die palästinensische Geschichte näherzubringen und gelichzeitig das Wissen über die Existenz von Palästinenser*innen, ihrer Kultur und ihren Widerstands zu vermitteln.

Diskussion und Filmabend im Ciné Résistance

Die Aktivistin und Schriftstellerin Maisan Hamdan ist heute Abend im Ciné Résistance im transformation space in Bern zu Gast. Maisan Hamdan lädt ein, um bei der gemeinsamen Diskussion über die weiterreichenden Auswirkungen von Lebensmitteln als Mittel der kulturellen Identität und des Widerstands nachzudenken.

Davor wird ab 18.30 Uhr gemeinsam das Fasten gebrochen mit Köstlichkeiten aus Palästina und der Levante, zubereitet von der Ciné-Résistance-Crew sowie der Dokumentarfilm «Foragers» (2022) von Joumana Manna gezeigt.

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