Gschächnütschlimmers
Von
Martin Mattli
am
11. Mai 2025
KRYSL und Jot Kosmos mit Mach keis Büro uf
Krysl und Jot Kosmos
Foto: Krysl und Jot Kosmos Krysl und Jot Kosmos

„Mach keis Büro uf“ – KRYSL & Jot Kosmos liefern ein karikiertes Tagebuch der Schweiz.

Mit ihrer gemeinsamen EP „Mach keis Büro uf“ schaffen KRYSL und Jot Kosmos ein Werk, das weit über klassischen Battlerap oder BoomBap-Ästhetik hinausgeht. Die am 4. April 2025 erschienene Platte vereint auf sieben Tracks eine schonungslos ehrliche, oft absurde und gleichzeitig zutiefst poetische Momentaufnahme des helvetischen Alltags – irgendwo zwischen Migros-Restaurant, Minipic und flussabwärts treibenden Strohhütten in der Aare.

KRYSL zeichnet mit seinen Texten ein Bild der Schweiz, das auf den ersten Blick überzeichnet wirkt – aber bei näherem Hinhören erschreckend echt wirkt. Die Zeile „dini Crew gseht us wie Ticketkontrolleure“ entlarvt auf wenigen Silben soziale Kontrolle, Uniformität und Alltagsmief. In Tracks wie „Fremd im eigene Kaff“ oder in „Chatzetobel“ wird das scheinbar alltäglich Banale – Vater fragt nach WLAN Code, das Navi spinnt, Globi winkt aus dem Regal – zum Symbol für eine kollektive Identitätskrise im Wohlstandsmodus. Wie ist dein Sonntag in der Schweiz?

Der wiederkehrende Wechsel zwischen Ironie, Tiefsinn und völliger Absurdität („i schmöcke Axe Africa a dim Fasho-Tishi“) ist kein Witz – es ist KRYSL's Reimketten-Strategie. KRYSL spielt nicht nur mit Bildern, sondern mit Erwartungen: an Männlichkeit, Herkunft, Szenezugehörigkeit. Die fragmentierten Alltagsmomente – von der Seifenkiste bis zum Harakiri-Gymbesuch – werden zur Sprache derjenigen, die im Überfluss der Gesellschaft den Halt verlieren. Vielleicht auch KRYSL selbst?

Die Beat-Produktionen von Jot Kosmos geben KRYSL's fragmentierter, verschachtelter Sprache einen Boden. Mal minimalistisch, mal verspielt, immer aber auch mal hinterlegt mit organischen Elementen. Er lässt den Raum und die Zeit, den ein Künstler wie KRYSL braucht – für Zeilen, die nachhallen, und Bilder, die sich erst beim zweiten Mal hören entfalten. Featurings und Scratches von DJ Stood Damn, Slick Pip, idänidä, Baze und Fäntu erweitern die EP gekonnt.

„Mach keis Büro uf“ ist keine Konzept-EP im klassischen Sinn, sondern eine realistische Stimmungsaufnahme im besten Sinne. Sie ist laut und leise, konkret und machmal komplett verwirrend. Und gerade dadurch so nah an der Lebensrealität vieler Menschen in der Schweiz – in einem Land, das sich zwischen Idylle, Behördenkultur und Identitätssuche neu finden muss.

Ein Werk, das die Schweiz nicht nur abbildet, sondern auch hinterfragt – mit einem Augenzwinkern, aber ohne Scheuklappen.

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