Die Alternative Linke (AL) erzielte im Februar des letzten Jahres im Berner Stadtrat einen Überraschungserfolg: Die Ratsmehrheit nahm das Werbeverbot im öffentlichen Raum an. Dies gelang unter anderem dank Stimmen aus Teilen der SP-Fraktion. Diese Woche folgte eine Weitere Überraschung. Doch diese war für die AL unerfreulich.
«Für die kommende Budgetdebatte wurde ein Antrag gestellt, der in einer Planungserklärung die Abschreibung der Motion zum Werbeverbot verlangt», erklärt Raffael Joggi, Stadtrat für die AL. Der Antrag kommt ausgerechnet aus den Reihen der SP.
In einem offenen Brief kritisiert die Fraktion von AL, PdA und Tier im Fokus das Vorgehen. Von einem «hinterlistigen Manöver» ist im offenen Brief die Rede. Mit der Annahme des Planungsantrags sei das Geschäft vom Tisch, bevor ein Vorschlag zur Umsetzung diskutiert werden konnte.
Die SP versteht diese Kritik nicht. «Von Hinterzimmerpolitik kann hier keine Rede sein», versichert Dominik Fitze, Fraktionspräsident der SP im Berner Stadtrat. Im Gegenteil, es handle sich um einen Klaren Antrag, um im Rahmen der Budgetdebatte Prioritäten zu setzen, sagt der SP-Fratkionspräsident. Fitze widerspricht ausserdem der Darstellung, dass das Geschäft nach der Budgetdebatte vom Tisch wäre. Der Stadtrat würde das Werbeverbot ohnehin nochmal diskutieren, meint er.
Die Kritik der AL gilt der gesamten SP-Fraktion. Allerdings hat eine einzelne Person aus der SP den Antrag mit Vertreter*innen der bürgerlichen und Mitte-Parteien eingereicht. «Man muss davon ausgehen, dass weitere Leute in der SP-Fraktion diesen Antrag unterstützen, schliesslich hat er politische Sprenkraft», sagt Raffael Joggi. Weil es darum geht, ein bereits beschlossenes Geschäft abzuschreiben, geht Joggi davon aus, dass hier niemand aus der SP einen Alleingang wagen würde.
Dass eine Mehrheit der SP hinter dem Antrag steht, das bestätigt Dominik Fitze. Die Fraktion habe lange darüber diskutiert und sei zum Schluss gekommen, dass eine Mehrheit dem Antrag zustimmen wird. «Der Grund dafür ist, dass das Werbeverbot der Stadt 5 Millionen Franken pro Jahr kostet», erklärt Fitze die Haltung seiner Fraktion. Dieses Geld würde dann beim Sozialen, im Klimaschutz, bei der Bildung und der Kulturförderung fehlen.
Raffael Joggi hätte sich gewünscht, dass sich die SP mit dieser Haltung als Fraktion hinstellt. Ihn stört, «dass hier Einzelpersonen vorgeschickt werden, um den Gemeinderat politisch zu entlasten.» Am Schluss, bemerkt Joggi verärgert, sei das Geschäft beerdigt und niemand habe es gewesen sein wollen. «Die Initiative wird dann von irgendwo gekommen sein, aber alle in der SP sind dann froh, dass das Geschäft erledigt ist.»
Raffael Joggi vermutet ausserdem, dass die SP das Werbeverbot ohnehin nicht unbedingt umsetzen will. Im Nachgang zur Abstimmung letztes Jahr habe es offenbar einen Sinneswandel gegeben. «Wir sprechen uns nicht gegen ein Werbeverbot aus, wir sagen lediglich, in der momentanen finanziellen Situation ist es für eine Mehrheit nicht die oberste Priorität», entgegnet Dominik Fitze. Der Entscheid sei über die Zeit gereift.
Die AL kritisiert in ihrem offenen Brief, die SP sei durch ihre Fraktionsgrösse im Stadtrat träge geworden. «Wenn man schon so viel Macht im Rat hat wie die SP, sollte man Verantwortung übernehemen und klar dazu stehen, was man tun will und was nicht», führt Raffael Joggi aus.
Für solche Kritik hat Dominik Fitze wenig Verständnis: «Wir haben von unseren Wählenden den Auftrag, unser Programm umzusetzen; das machen wir nach bestem Wissen und Gewissen, immer im Dialog mit anderen Fraktionen.» Auch die AL könne sich nicht darüber beklagen, dass die SP nicht mit ihr spreche, so Fitze.
Aufgrund des offenen Briefes nun zu vermuten, innerhalb der Ratslinken komme es zum grossen Bruch, wäre aber falsch. Die Vertreter*innen beider Fraktionen betonen, dass sie weiterhin gewillt sind, zusammenzuarbeiten. «Die AL und die SP sind nicht die selbe Partei, dass es Überschneidungen aber auch mal Reibung gibt, ist normal», sagt Raffael Joggi. Trotz der gelegentlichen Reibungen würden die Fraktionen nach wie vor gut zusammenarbeiten, versichern die Parteien.