Die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) wurde im vergangenen Jahr zum ersten Mal in ihrer Geschichte bei einer bundesweiten Parteiwahl stimmenstärkste Kraft.
Die Wahl sei nicht überraschend gewesen, so Lucile Dreidemy. Die Rückkehr der rechtspopulistischen FPÖ sei unteranderem durch die Corona Pandemie und ihre Folgen zu begründen. Laut Lucile Dreidemy führen Wirtschaftskrise, Teuerungen und Existenzängste zusätzlich zu einem fruchtbaren Nährboden für reduktionistischen Erklärungen. Dies habe sich auch in der Geschichte wiederholt gezeigt.
Die Professorin für österreichische Zeitgeschichte seit 1918 im internationalen Kontext an der Universität Wien forscht zum sogenannten Austrofaschismus und der Zeit davor. Austrofaschismus wird die Periode ab 1933/34, vor dem Anschluss Österreichs an Nazi Deutschland im Jahr 1938 bezeichnet. Damals herrschte ein autoritäres, ständestaatliches Regime, das sich an faschistischen Ideen nach dem italienischen Diktator Benito Mussolini richtete.
Die heutige Politik Österreichs könne zwar nicht eins zu eins durch die damalige faschistische Periode erklärt werden, dennoch sei ein Blick in die Vergangenheit wichtig, erklärt Lucile Dreidemy. «Weil, es erklärt, wie schnell die Machtübernahmen der Nationalsozialisten laufen konnte.»
Parallelen zur damaligen Zeit seien beispielsweise die Wirtschaftskrise in den 29er Jahren, sowie der klare Fokus auf liberale Wirtschaftsinteressen und dessen Rhetorik. Auch die Empfänglichkeit der konservativen Partei, damals die Christlichsoziale Partei Österreichs (CS oder CSP), heute die ÖVP, für Kompromisse mit rechtsextremen Kräften zeige Ähnlichkeit zur heutigen politischen Lage Österreichs.
Erinnern sollten wir uns jedoch auch an den organisierten Widerstand: In der unmittelbaren Nachkriegszeit nach 1918, war die Angst gross vor einer gut organisierten Arbeiter:innenbewegung. Dies zwang das damalige Regime dazu, weitgehend sozialpolitische Massnahmen zu treffen: Es sind die Roten Jahre der Republik.
Das organisierte Engagement insbesondere in Vereinen und Gewerkschaften werde auch heute eine wichtige Rolle einnehmen. Lucile Dreidemy findet: «Demokratie geschieht nicht nur am Wahltag.»
Gerade die Geschichte von Linken sozialen Bewegungen und Aufständen spiele heute noch eine marginalisierte Rolle. Auch wenn die Demokratie nicht mit Erinnerungspolitik gerettet werden würde, sei sie trotzdem wichtig, erklärt die Zeithistorikerin.
Die Geschichte von Linken Bewegungen helfe uns zu einem Selbstbewusstsein im Kamp für die Demokratie, glaubt Lucile Dreidemy: «Es spielt eine Rolle in der heutigen Zeit daran zu erinnern, dass es trotz einer faschistischen Regierung einen Widerstand gegeben hat.»
Lucile Dreidemy im Interview: