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27. Juni 2025
Mit Blumen gegen Schweizer Verstrickungen mit der israelischen Waffenindustrie
Swisscomplicity
Foto: Swisscomplicity Zwischen den Blumen befinden sich Palästina-Flaggen und die Namen Getöteter aus Gaza.

Um die Mittagszeit herrscht am Treffpunkt des Berner Hauptbahnhofs normaler Betrieb. Pendler*innen huschen über die grosse Fläche, oder bleiben stehen und studieren die Abfahrtstafel. Am Rand läuft eine Promoaktion für einen Getränkehersteller. Doch dann ertönt plötzlich Musik. Sie kommt aus einem Rucksack von zwei Aktivist*innen, die am Treffpunkt hin und her gehen.

Eine Stimme erklärt, wie verschiedene Schweizer Firmen und Behörden mit der israelischen Rüstungsfirma Elbit Systems zusammenarbeiten. Von einer der höheren Etagen wirft jemand Flugblätter hinunter. Darauf ist zu lesen: «Elbit tötet. Die Schweiz finanziert.»

Die israelische Rüstungsfirma Elbit Systems stellt unter anderem die von der Schweizer Armee verwendete Hermes-Drohne her. «Das ist die wahrscheinlich tödlichste Waffenfirma unseres Planeten», zitierte die Wochenzeitung den Experten Andrew Feinstein in einem Artikel über Elbit.

Am Treffpunkt des Berner Bahnhofs hebt eine Frau eines der Flugblätter auf. Sie liest den Zettel und macht dann die Aktivist*innen auf sich aufmerksam. «Super!» ruft sie ihnen zu und streckt dabei ihren Daumen in die Luft. Dann erklärt sie ihrer Sitznachbarin, was auf dem Flugblatt steht.

Gedenkstätten für getötete Palästinenser*innen

Es ist eine von vielen Aktionen der Gruppe Swisscomplicity an jenem Tag. Einige Stunden zuvor stehen die beiden Mediensprecher*innen der Gruppe, Leslie Graf und Raya Jung, am Hirschengraben. Zum Auftakt des Aktionstages hatte die Gruppe mehrere Gedenkstätten aufgebaut.

Die Gedenkstätten, das sind Blumenkästen aus Holz. Die Kästen sind bemalt mit der Flagge Palästinas, kleine Flaggen stecken auch in der Erde. Zwischen Flaggen und Blumen liegen Papierstreifen, darauf stehen die Namen getöteter Palästinenser*innen.

«Diese fünf Orte stehen stellvertretend für fünf Systeme.»
Leslie Graf Swisscomplicity

Insgesamt fünf solcher Gedenkstätten haben die Aktivist*innen aufgestellt. Eine vor der UBS, eine vor der Niederlassung von Elbit Schweiz, eine Vor dem Bundesamt für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS), eine vor den Studios von SRF und eine am Hirschengraben.

«Diese fünf Orte stehen stellvertretend für fünf Systeme», erklärt Leslie Graf, «es geht nicht nur um die UBS sondern beispielsweise auch um Versicherungen, wie etwa die Allianz.» Raya Jung erklärt, dass der Blumenkasten am Hirschengraben wegen der nähe des ETH-Rats dort stehe. Dieser steht in den Augen der Aktivist*innen stellvertretend für das System der Schweizer Hochschulen. Denn diese unterhalten Abkommen mit israelischen Universitäten. «Diese Universitäten sind in den Genozid verwickelt, indem sie mit dem israelischen Rüstungskomplex zusammenarbeiten und Wissen produzieren, das verwendet wird, um Palästinenser*innen zu schaden.»

Verstrickungen zwischen Rüstung und Behörden

Zwei weitere Gedenkstätten liegen ganz in der Nähe des Hirschengrabens. Etwa an der Maulbeerstrasse, wo das VBS iher Büros hat. Das Departement mit dem Bundesamt für Rüstung armasuisse und der Schweizer Armee sei ebenfalls in die Geschäfte von Elbit verstrickt , finden die Aktivist*innen von Swisscomplicity. «Das sind Behörden, bei denen Menschen, die eng mit der israelischen Rüstung verknüpft sind, Positionen innehaben», sagt Raya Jung.

«Das Ziel war es, aufzuzeigen, wie nahe die Kriegsverbrechen sind.»
Raya Jung Swisscomplicity

Was Jung damit meint: Ehemalige Kaderleute des VBS nehmen Wichtige Positionen bei Rüstungsunternehmen ein. So ist etwa der ehemalige Rüstungschef der Schweiz heute Verwaltungsratspräsident von Elbit Systems Schweiz. Dabei handelt es sich um eine Tochterfirma von Elbit, die ihren Sitz in Bern hat. Dieser befindet sich keine hundert Meter vom VBS entfernt. Auch dort steht eine Gedenkstätte.

Dort angelangt, steht bereits eine Polizeipatrouille davor. Gut möglich, dass der Blumenkasten in Bälde weggeräumt wird. Dieses Schicksal blühte zuvor bereits dem Blumenkasten vor der UBS. Und auch vor den SRF-Studios ist die Gedenkstätte bei unserer Ankunft schon weggeräumt.

Zu wenig Berichterstattung

Das SRF scheint in der Reihe der fünf Orte etwas aus der Reihe zu tanzen. Bei den restlichen Orten lässt sich die Verbindung zu Elbit ziemlich klar herstellen. Bei SRF hingegen steht der Vorwurf im Raum, nicht darüber berichtet zu haben.

Genau das sei der Punkt, sagt Leslie Graf. Das SRF stehe stellvertretend für jene Schweizer Medien, die nicht über solche Dinge, wie die Schweizer Geschäfte mit Elbit berichtet haben. «Dabei wäre es der Auftrag des Journalismus, darüber zu berichten», führt Graf aus. Das könne auf unterschiedliche Weise geschehen, bei SRF und anderen Schweizer Medien sei dies aber so gut wie nicht geschehen.

Das sagen die kritisierten Akteur*innen

Wir haben die von den Aktivist*innen kritisierten Unternehmen und Institutionen gestern um eine Stellungnahme gebeten.

Das VBS sowie die Allianz verzichten auf eine Stellungnahme.

Der ETH-Rat weist darauf hin, dass die Hochschulen im ETH-Bereich einen autonomen Status geniessen und selbst über Zusammenarbeiten mit ausländischen Hochschulen entscheiden.

Die UBS schreibt, sie habe viele meldepflichtige Positionen in weltweiten Unternehmen, die sie im Auftrag ihrer Kund*innen und auf der Grundlage derer Anlageentscheide hielten.

SRF schreibt:

«Die Vorwürfe der Aktivistengruppe «Swiss Complicity» weist SRF zurück. Unsere journalistischen Angebote beruhen auf den Grundsätzen sachgerecht, vielfältig und unabhängig. SRF orientiert sich bei der Berichterstattung zum Nahostkonflikt zudem insbesondere an Kapitel 5.6 der Publizistischen Leitlinien: «(…) Bei kriegerischen Ereignissen stammt der Grossteil der Mel­dungen aus Quellen, die mit der Veröffentlichung ein strategisches Ziel verfolgen. Das gilt auch für Meldungen, die uns über andere Medien erreichen. Es ist deshalb von zentraler Bedeutung, ihren Inhalt auf Plausibilität zu prüfen, die Herkunft von Informationen zu deklarieren und die unsichere Quellenlage explizit transparent zu machen.»

Elbit Systems Switzerland verurteilt die Aktion in Bern entschieden. Das unternehmen schreibt: «Wir lehnen jede Form von undifferenzierter Kritik ab, die gegen das Unternehmen erhoben wird. Die Polizei ist über die heutige Aktion informiert und bereits aktiv.»

Ziel der Aktion sei jedoch nicht nur, die Institutionen zu kritisieren, sagt Raya Jung: «Das Ziel war es, aufzuzeigen, wie nahe die Kriegsverbrechen sind und welche Akteur*innen aktiv dabei mitwirken.» Leslie Graf ergänzt, dass es darum gehe, das Geschehen in Gaza im Alltag sichtbar zu machen.

Diese Wirkung hatte auch die Aktion im Berner Hauptbahnhof. Denn obwohl die meisten unbeteiligt über die Flugblätter schreiten, heben sie doch ein paar Leute auf und nehmen sich Zeit zum Lesen.

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