Durch Alpinismus Frauen weltweit eine Stimme geben: Das ist das Ziel von Nasim Eshqi. Als Sportlerin setzt sie sich aktiv für Freiheit, Menschrechte und insbesondere für die Rechte von Frauen ein. Seit dem Tod von Mahsa Amini im September 2022 lebt Nasim Eshqi in Europa. Am Freitag ist sie im Rahmen der Veranstaltungsreihe AktivismusAlpinismus im Alpinen Museum in Bern zu Gast. Wir haben uns im Voraus mit Nasim Eshqi über ihr Engagement unterhalten.
Ein Sprachrohr zu werden hat für mein Klettern nicht viel verändert. Aber es hat viel verändert bezüglich der Frage, was ich mit meinem Leben mache. Ich habe davor bereits neue Routen eröffnet, bin in unterschiedlichen Ländern geklettert. Jetzt trägt all das eine andere Bedeutung.
Seit ich begonnen habe über Frauenrechte zu sprechen, unterstützen mich keine Marken mehr. Sie wollen keine ihrer Kund*innen verärgern.
Diese Unterstützung fällt also weg. Als ich nach Europa kam habe ich all das verloren. Aber von Freund*innen aus der Klettergemeinschaft hatte ich immer mentale Unterstützung. Diese ist sogar stärker geworden, weil sie an das glauben, was ich mache.
Ich sehe es nicht als politisch, mich als Frau zu verteidigen oder andere Frauen zu verteidigen. Und ich verstehe nicht, warum es das sein sollte – es geht um mein Geschlecht. Es geht ums Menschsein, nicht um Politik.
Wenn ich jemanden aussuche, um mich beim Klettern zu sichern, geht es auch nur um meine Sicherheit. Daran ist nichts politisch. So ist es auch bei Frauenrechten. Die Kategorie Politik existiert für mich in diesem Bereich nicht.
Das Problem ist, das wir – das betrifft auch Männer aber hauptsächlich Frauen – nicht genügend ermächtigt sind, uns zu behaupten. Wir denken, wir sollten schweigen und uns nicht verteidigen, weil wir politisch werden, wenn wir das tun. Das sehe ich nicht so. Wir sollten nicht mehr mit Personen und Marken zusammenarbeiten, die nicht an Gleichberechtigung glauben.
Wenn ich Frauenrechte nicht verteidige, verteidige ich meine Existenz nicht. Das müssen wir verstehen. Doch das braucht Zeit.
Die Klettergemeinschaft im Iran ist viel offener als der Rest der Gesellschaft. Sie wollen reisen, andere Leute kennen lernen und der Religionspolizei fernbleiben. Das trifft auch auf Studierende und Dichter*innen zu. Aber von den verschiedenen Sportarten im Iran hat das Klettern die offenste Gemeinschaft. Diese Menschen haben eine weitere Perspektive, als nur religiös zu sein oder einer Ideologie zu folgen. Das bedeutet nicht, dass es keine religiösen Menschen gibt, aber es gibt weniger davon.
Die Alpinist*innen und Kletter*innen im Breitensport haben keine Sponsoren zu verlieren. Darum haben sie mehr Freiheit. Meiner Meinung nach müssen sie als erstes verstehen, dass Frauenrechte kein politisches Thema sind. Dann kann man sie nicht mehr damit zum Schweigen bringen, in dem man sagt, sie sollen nicht über Politik sprechen.
Probleme, die Frauen betreffen wie Kinderheirat, Genitalverstümmelung oder Femiziden sind verdeckt von Werbung und männlich dominierten Ideen. Die Welt ist ohnehin von einer männlichen Perspektive geprägt. Deshalb müssen Frauen ermächtigt werden. Der einzige Weg dazu ist es, das Schweigen zu brechen.
Mit der Veranstlatungsreihe «AktivismusAlpinismus» will das ALPS Bergsport und gesellschaftliches Engagement in Dialog bringen. Zum Auftakt am 28. November ist Nasim Eshqi zu Gast.
Fr, 28.11.25, 19 Uhr bis 20:30 Uhr. Mehr Infos