Kinder haben ein Recht auf Spielen, ein Recht auf Ausbildung, ein Recht auf Gleichbehandlung - Die Rechte der Kinder sind in den UNO-Kinderrechtskonvention festgehalten. Die Schweiz hat diese 1997 ratifiziert. Diese Rechte der Kinder und Jugendliche ist im Nothilfesystem im Asylbereich nicht gewährleistet. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Marie Meierhofer Instituts für das Kind (MMI) vom letzten Jahr, beauftragt von der Eidgenössischen Migrationskommission (EKM).
Im Kanton Bern sind über 130 abgewiesene Asylsuchende minderjährige Kinder oder Jugendliche. Einige verbringen einen Grossteil ihres Lebens in Nothilfesystem und damit in Rückkehrzentren. Karin Berger-Sturm der SP-JUSO Fraktion bringt das Thema in den Grossen Rat. Bei den Betroffenen handle es sich um Kinder von Eltern mit einem negativen Asylentscheid, die teilweise aufgefordert werden das Land zu verlassen. Für Berger-Sturm ist klar: «Die Leidtragenden sind die Kinder.»
In dieser Situation befinden sich auch die Kinder von Sarah Abdollahi (Name geändert). Sie lebt derzeit im Rückkehrzentrum in Aarwangen, wo über 40 der 136 Minderjährige (Stand September 2025) der abgewiesenen Asylsuchenden leben. Mit ihrer acht-einhalbjährigen Tochter und ihrem fast sechs jährigen Sohn lebt Abdollahi bereits seit zwei Jahren im Rückkehrzentrum Aarwangen. Sie teilen sich einen Raum, die Küche und die Duschanlagen werden mit den anderen Familien geteilt. Es sei eng, es gebe weder Platz noch Privatssphäre.
Die kleinen positiven Veränderungen wie der Spielplatz draussen, oder das Spielzimmer in der Unterkunft, seien zwar gut. Das Problem seien aber grundsätzlich solche Kollektivunterkünfte. Für die zweifache Mutter fühle sich alles wie eine grosse Herausforderung an. Das, obwohl sie bereits seit sieben Jahren in der Schweiz lebt und Deutsch spricht. Vor dem Rückkehrzentrum Aarwangen lebte die Familie in einer Wohnung. Seit dem negativen Asylentscheid - viereinhalb Jahre nach ihrere Einreise - mussten sie ins Rückkehrzentrum: «Diese Wechsel sind für mich, aber vor allem für die Kinder sehr schwierig.» Seit sie in der Schweiz lebe, habe sie den Wohnort bereits fünf Mal ändern müssen, sagt Sarah Abdollahi. Besonders traumatisieren seien die Ausschaffungen. Oft kämen viele Polizist*innen bereits früh am Morgen um Personen oder Familien abzuholen. Die Kinder bekommen es mit im Korridor, oder erzählen es sich in der Schule. Plötzlich fehlt ein Kind am nächsten Tag, die Kinder merken das. Vor der Polizei hätten die Kinder deshalb Angst: «Wenn die Polizei vorbeikommt, um Briefe zu bringen, rennen die Kinder weg. Kleine Kinder weinen und verstecken sich. Es macht mich traurig, dass Kinder das hier erfahren.»
Die psychische Belastung bestätigt auch die von der EKM beauftragen Studie des Marie Meierhofer-Institut für das Kind (MMI). Ein Rechtsgutachten der Rechtsfakultät der Universität Neuenburg ordnete die Ergebnisse und Empfehlungen der Studie juristisch ein: Fazit: Die Lebensbedingungen der betroffenen Kinder seien nicht mit der Schweizerischen Bundesverfassung und der UNO-Kinderrechtskonvention vereinbar. Die körperliche, geistige und soziale Entwicklung sowie die Gesundheit dieser Kinder würden zu wenig geschützt.
Vier überparteiliche Vorstösse fordern eine Verbesserungen für Kinder und Jugendliche in der Nothilfe im Asylbereich im Kanton Bern. In einem Postulat soll überprüft werden, ob der Kanton Bern die Kinderrechte genügend schützt:
Karin Berger-Sturm ist Vorstösserin, die Anwort des Regierungsrats findet die Grossrätin inakzeptabel. In seiner Antwort verneint der Regierungsrat den Handlungsbedarf für Familien mit Kindern in der Langzeitnothilfe. Die MMI-Studie kritisiere zwar bestimmte Aspekte der Unterbringung von Familien mit Kindern in Kollektivunterkünften, sie seien aber nicht als kategorisch verfassungs- oder völkerrechtswidrig einzuordnen, hält der Regierungsrat fest.
Karin Berger-Sturm wolle lediglich, dass hingeschaut werde. Es gehe darum, dass die Rechte aller Kinder eingehalten werden. Wie sie auf die Grossratssitzung blicke: Vorsichtig optimistisch, so die Grossrätin. Ob die Vorstösse durchkommen, zeigt sich in der Herbstsession 2025.