Gemäss Kinderschutz Schweiz und der Universität Fribourg hat fast jedes zweite Kind in der Schweiz körperliche oder psychische Gewalt in der Erziehung erlebt. Jedes 14. Kind wird regelmässig körperlich bestraft. Dies entspricht 7% aller Kinder in der Schweiz. Und rund jedes fünfte Kind ist wiederholt psychischer Gewalt ausgesetzt – etwa durch Anschreien, Beschimpfen oder Bedrohen. In der Herbstsession 2025 stimmte der Ständerat der gesetzlichen Verankerung der gewaltfreien Erziehung in der Schweiz zu.
Mit dem jüngsten Entscheid des Parlaments setze die Schweiz ein starkes Zeichen: Gewalt hat in der Erziehung keinen Platz. Für Kinderschutz Schweiz ist das ein Meilenstein – und das Resultat jahrelanger Arbeit.
Bereits 2013 reichte die Präsidentin der Organisation einen ersten parlamentarischen Vorstoss ein. Es folgten eine nationale Sensibilisierungskampagne ab 2017 sowie regelmässige Elternbefragungen in Zusammenarbeit mit der Universität Freiburg. «Wir wollten das Thema konstant auf der politischen Agenda halten – und gleichzeitig die Eltern mitnehmen», erklärt Regula Bernhard-Hug, Direktorin der Organisation. Das Feedback war klar: 98 Prozent der befragten Eltern waren überzeugt, dass ein Gesetz ihnen helfen würde, gewaltfrei zu erziehen.
Die Wirkung zeigt sich in den Zahlen: Immer mehr Eltern verzichten auf Gewalt. Besonders bei jenen, die früher gelegentlich Gewalt anwendeten, sei ein positiver Wandel sichtbar. Doch die Organisation beobachtet auch Rückschritte – vor allem seit der Corona-Pandemie: «Ein kleiner Teil greift wieder häufiger zu Gewalt. Die Belastungen der Pandemiezeit wirken nach», so Regula Bernhard-Hug von Kinderschutz Schweiz.
Mit einer letzten grossen Kampagne will die Organisation Eltern nun erneut sensibilisieren: Erziehung ist fordernd – niemand ist davor gefeit, an seine Grenzen zu stossen. «Deshalb braucht es Strategien, um Eskalationen vorzubeugen. Manchmal hilft schon eine kurze Pause, um wieder besonnen reagieren zu können.»
Mit dem neuen Gesetz ist auch die Politik gefordert. Kinderschutz Schweiz betont: Neben der klaren Signalwirkung brauche es konkrete, niederschwellige Unterstützungsangebote – flächendeckend und unabhängig vom Wohnort. Künftig liegt es an den Kantonen, diese bereitzustellen.
Die Organisation selbst richtet ihren Fokus nun auf die praktische Umsetzung: Mit Beratungsangeboten, Materialien wie Bilderbüchern und Schulungen für Fachpersonen will sie Familien im Alltag stärken.
Die Help- und Hotlines von Kinderschutz Schweiz bieten Eltern, Fachpersonen und allen Menschen, die sich um Kinder sorgen, schnelle, vertrauliche und anonyme Unterstützung.
Hier geht es zur Liste der Help- und Hotlines von Kinderschutz Schweiz.
Interview mit Regula Bernhard-Hug nachhören: