Werke über Philosophen wie Theodor Adorno oder Walter Benjamin zieren sie ebenso wie Sachbücher über Psychologie oder jüdische Mystik: Die Werke des Künstlers Paul Klee.
Wieso wählen so viele Verlage immer wieder Werke Klees für ihre Buchumschläge? Dieser Frage widmet sich die Ausstellung «Cover Star Klee» im Zentrum Paul Klee.Kuratiert wurde die Ausstellung vom Gastkuratoren Dieter Roelstraete von der University of Chicago. Eine ähnliche Ausstellung hat er bereits 2019 in Chicago realisiert und dazu ein Buch herausgegeben. Für das Cover dazu wählte er die Klee-Radierung «Kleinwelt».
Es sei ein abstraktes Bild von Verwirrung, findet Dieter Roelstraete. Das Bild, das während des ersten Weltkriegs entstanden sei erinnere ihn an Grabenkriege. «Dieses enorm dichte Durcheinander von Symbolen erschien mir als eine passende Metapher für die kleine Welt des akademischen Verlagswesens», sagt Roelstraete.
Er sei kein Kunsthistoriker, sondern habe Philosophie studiert, erzählt er weiter. So sei er ursprünglich auf die zahlreichen Buchumschläge mit Werken von Paul Klee aufmerksam geworden. Denn auf vielen der philosophischen Bücher, die er las, prangte ein Werk von Paul Klee. Besonders bei Büchern über Kritische Theorie, französische Philosophie sowie Heidegger und Phänomenologie sei dies der Fall gewesen. Also begann Roelstraete Bücher zu sammeln, die ein Werk von Paul Klee auf dem Einband zeigten. Irgendwann sei dann die Ausstellung mit dem dazugehörigen Begleitband erschienen.
Bei der Ausstellung in Bern hatte Roelstraete diesmal den Vorteil, dass er auf die Sammlung des Zentrums Paul Klee zurückgreifen konnte. «Die Originale neben den vielen Buchumschlägen zu zeigen, auf denen sie abgebildet sind, das ist ja die Krux der Ausstellung.»
Mit der Ausstellung will Dieter Roelstraete aber nicht nur aufzeigen, wie oft Klee zur Illustration von Büchern verwendet wird. Er will auch der Frage nach dem Warum nachgehen.
Eine abschliessende Antwort darauf gebe es nicht, sagt der Kurator. Aber es habe unter anderem mit dem fragmentarischen Zeichenstil Klees zu tun. Roelstraete nennt Klee deshalb einen Poeten der Fragmentierung. «Klee zeichnet nie ganze Figuren, er arbeitet mit Unstetheit, Verstreutheit und Verwirrung aber immer gerade so, das es aushaltbar ist.» Das widerspiegle unsere gegenwärtige Lage, findet der Kurator.
Eine weitere Eigenart Klees sei es zudem, sich für das Kleine, das Mikroskopische zu interessieren. Darin liegt auch ein Misstrauen gegenüber grossen Erzählungen. Auch das sei etwas, das dem Zeitgeist der letzten Jahrzehnte entspreche, besonders in den Geisteswissenschaften, erklärt Dieter Roelstraete. Dieses Misstrauen gegenüber dem Grossen teilt Klee etwa mit Vertreter*innen der postmodernen Theorien.
Im fragmentierten Zeichnungsstil Klees sieht Roelstraete aber auch die Verbindung zur kritischen Theorie. Diese philosophische Strömung entstand in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Vertreter rund um Philosophen wie Adorno der Horkheimer werden auch unter dem Begriff Frankfurter Schule zusammengefasst. Die Vertreter der Frankfurter Schule seien die ersten gewesen, die eine Skepsis gegenüber der Totalität formuliert haben. So stammt von Theodor Adorno etwa der Satz: «Das Ganze ist das Unwahre.»
Ein Vertreter der Frankfurter Schule, der sich direkt von Klee inspirieren liess, war Walter Benjamin. In einer seiner Thesen «Über den Begriff der Geschichte» erwähnt er den Angelus Novus von Klee und bezeichnet ihn als Engel der Geschichte. «Benjamin ist verantwortlich dafür, dass Klee als Lieblingskünstler der Philosophie bekannt wurde», sagt Roelstraete.
Doch über die Philosophie hinaus sind Klee-Motive beliebt. Das zeigt die Ausstellung auf eindrückliche Weise, wenn sich in den Vitrinen Einband an Einband unterschiedlichster Bücher mit dem sleben Klee-Motiv reiht. Dennoch verlieren diese Motive führ Dieter Roelstraete nichts von ihrer Ausstrahlung.
«Viele Künstler*innen kenne man heute eher von Keksdosen als aus dem Museum – etwa Gustav Klimt oder manche der Impressionist*innen», sagt der Kurator. Anders als bei diesen Beispielen würden die Werke Klees aber nicht zum Klischee. Auch wenn sie filigran, winzig und bescheiden daherkommen, verfügten Klees Werke über einen Kern, der die Kraft ausstrahle, sich den zahlreichen Interpretationen zu widersetzen.
Warum zeigen so viele Bücher über Philosophie, Psychotherapie oder kritische Theorie des zwanzigsten Jahrhunderts die Kunst von Paul Klee auf ihrem Einband? Im Rahmen der dynamischen Sammlungspräsentation Kosmos Klee. Die Sammlung widmet sich das Zentrum Paul Klee dieser Frage.
Die Ausstellung ist noch bis zum 14. September im Fokus-Raum der Sammlungspräsentation zu sehen. Mehr Informationen gibt es hier.