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4. September 2025
Klimaklage: Insel Pari gegen Zementkonzern Holcim
Sarah Heinzmann
Foto: Sarah Heinzmann Zwei der vier Kläger:innen sind nach Zug gereist (links), hier mit ihrer Anwältin (rechts).

In Zug hat gestern das erste zivile Klimaverfahren der Schweiz begonnen. Die Kläger:innen fordern Verantwortung für Emissionen – ihre Lebensgrundlage sei durch den steigenden Meeresspiegel bedroht.

Es ist das erste Verfahren seiner Art in der Schweiz: Vier Fischerinnen und Fischer der Insel Pari auf Indonesien klagen den Schweizer Zementhersteller Holcim an. Seine CO₂-Emissionen würden dafür sorgen, dass der Meeresspiegel ansteigt. Deswegen drohe die Insel Pari zu versinken. Gestern wurde der Prozess in Zug eröffnet. Der Andrang war gross – so gross, dass der Prozess verlegt werden musste, vom Kantonsgericht ins Regierungsgebäude. Im Zentrum die Frage: Trägt der Zementkonzern Holcim wesentlich zum Klimawandel bei? Und wenn ja – kann er zur Rechenschaft gezogen werden für die drohende Vertreibung von vier Fischer:innen von ihrer Insel in Indonesien? Die Klägerinnen und Kläger fordern, dass Holcim seine Emissionen so stark senke, dass sie mit dem 1,5-Grad-Ziel von Paris vereinbar sind, und sie verlangen Schadenersatz. Doch gestern stand nicht der Inhalt der Klage im Vordergrund, sondern die Vorfrage, ob ein Schweizer Gericht überhaupt darüber entscheiden dürfe. Die Anwältin der Fischerinnen sagt ja. Holcim betreibe zwar keine Fabrik in Indonesien, doch das CO₂ aus den Schornsteinen wirke global. Entscheidend sei nicht, woher die Emissionen stammen. Entscheidend sei, dass sie das Leben der Klägerinnen gefährden.

Vorwurf: Inszenierter Prozess

Ganz anders sieht es der Verteidiger der Gegenseite. Holcim sei willkürlich ausgewählt. Selbst wenn der Konzern weniger CO₂ ausstosse, ändere das nichts am Anstieg der Meere. Und betroffen vom Klimawandel sei nicht nur die kleine Gruppe aus Indonesien, sondern die gesamte Menschheit – bis zu drei Milliarden Menschen besonders. Die Klägerinnen seien nicht speziell betroffen, Holcim nicht speziell verantwortlich.

«Wer klagt: Die gesamte Menschheit? Wer wird angeklagt: Ebenfalls die gesamte Menschheit?»
Verteidiger Holcim

Rhetorisch fragt er: Wer klagt: Die gesamte Menschheit? Wer wird angeklagt: Ebenfalls die gesamte Menschheit? Klimapolitik gehöre ins Parlament, nicht vor Gericht. Es handle sich um eine Inszenierung, um einen aktivistischen Prozess, hinter der Schweizer Nichtregierungsorganisationen wie das Hilfswerk HEKS stehen. Bezahlt durch den Steuerzahler, so der Holcim-Verteidiger.

Klimasünder Holcim

Dem widerspricht Nina Burri von HEKS nach der Verhandlung. «Das spricht den Klagenden ihre Selbstbestimmung und ihren Kampf für Klimagerechtigkeit ab. Das ist unschön.» HEKS habe die Klägerinnen zwar unterstützt. Es stimme auch, dass noch Millionen wenn nicht Milliarden weiterer Betroffener vom Klimawandel betroffen seien. «Aber die Klagenden haben sich zu diesem Schritt entschieden, weil sie und ihre Insel existenziell bedroht sind.»

«Das spricht den Klagenden ihre Selbstbestimmung und ihren Kampf für Klimagerechtigkeit ab. Das ist unschön.»
Nina Burri Vertreterin von HEKS

Und auch der Konzern Holcim sei nicht zufällig gewählt: «Holcim ist eines der hundert Unternehmen, die am meisten zum Klimawandel beigetragen haben. Das ist historisch doppelt so viel wie die Schweiz emittiert hat.» Zudem ist die Zementindustrie für acht Prozent der weltweiten industriellen Emissionen verantwortlich – viel mehr als die Flug- oder Schifffahrtsindustrie. «Das ist eine Industrie, die sich verändern muss, damit wir den Klimawandel abmindern können», so Burri. Klare Worte findet gestern auch die Klägerin Ibu Asmania. «Holcim muss zur Verantwortung gezogen werden für die Emissionen: Unsere Lebensgrundlage ist durch den steigenden Meeresspiegel bedroht», so Asmania.
Entschieden wurde gestern in Zug noch nichts: Das Urteil wird das Gericht schriftlich eröffnen.

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