Mohamed Choucair ist ein Audioschaffender aus Beirut. Seine Arbeit kreist um den Drohnenlärm in Beirut. Als ich in anrufe, ist das scheppernde Geräusch der Drohnen im Hintergrund hörbar. «Kannst du das hören?», fragt Mohamed Choucair.
Mohamed Choucair macht Klanginstallationen über die akustische Kriegsführung der israelischen Armee. Unter akustischer Kriegsführung versteht man Techniken, die über das Gehör Furcht verbreiten. Akustische Kriegsführung hat viele Gesichter: Das beabsichtigte Durchbrechen der Schallmauer oder gezielt eingesetzter Flugzeuglärm. Mohamed Choucair interessiert sich für das laute Dröhnen der israelischen Drohnen.
Seit dem 7. Oktober 2023 gebe es in Beirut keinen Tag ohne Drohnenlärm. Seit dem Waffenstillstand von letztem November habe der Lärm für einige Tage aufgehört, dann habe er wieder angefangen. «Die Drohnen sind 15 bis 18 Stunden am Tag über ihren Köpfen zu sehen. Der Drohnenlärm lässt mich nackt und schwach fühlen», so Mohamed. Er fühle sich überwacht und verletzlich.
Bereits 2007 brachte Lawrence Abu Hamdan, Gründer der Organisation Earshot, ihn auf die Idee, Drohnenlärm aufzunehmen. Die beiden trafen sich bei der Biennale in Venedig , und Abu Hamdan habe ihn halb im Witz gefragt, ob er nicht den Lärm von Kampfjets für ein DJ-Projekt mischen könnte. So entstand die Zusammenarbeit zum Projekt Air Pressure.
Air Pressure ist ein Logbuch des libanesischen Himmels. Während über zehn Jahren haben Mohammed Choucair und Lawrence Abu Hamdan den Kriegslärm am libanesischen Himmel aufgenommen und die Daten anschliessend künstlerisch aufbereitet. Zwei Jahre lang tourten die beiden mit ihrem Stück: Sie waren im MoMA in New York zu sehen, im Centre Pompidou in Paris, in verschiedenen Museen in Tunis.
Seit dem erneuten Kriegsausbruch in Libanon hat Mohamed Choucair den Himmel über Beirut wieder aufgenommen. «Ich habe unglaublich viel Material gesammelt. Dieses Material habe ich aufbereitet und übereinander gelegt», so Mohamed Choucair. Entstanden ist ein dröhnender Klang, den er anderen Kunstschaffenden zur Verfügung stellt. Er wollte etwas erschaffen, das für die Audioszene relevant sei. Diesen Sound können Audioschaffende nun herunterladen, und in ihre eigenen Produktionen integrieren – die Kunst eigne sich dadurch den Himmel über Beirut zu einem gewissen Grade wieder selbst an, so Choucair.
Mohamed Choucairs Projekt stösst international auf Resonanz. Das Projekt wird diesen April in Bergamo und Mai an der Biennale in Venedig gezeigt. Mit seinem Projekt habe er einen Weg gefunden, mit der aktuellen Krise umzugehen. Ihm sei aber bewusst, dass dieser Ansatz, die Kriegsgeräusche in Kunst umzuwandeln, nicht bei allen auf Anklang stösst. Ihm persönlich helfe das Projekt aber.
Audioschaffende sind eingeladen, ihre eigenen Produktionen mit Mohamed Choucairs Drohnenlärm zu verbinden und Projekte für das Festival Chiasso Means Noise 2025 einzureichen. Das Festival findet Ende März statt.