Mitten in Münsingen führt ein Weg von der Hauptstrasse ab, hinunter in eine grüne Fläche. Hier ist das solidarische Landwirtschaftsprojekt «Setzhouz» zu Hause. Es ist Vormittag und die «Setzhouz»-Mitglieder sind dabei, die Taschen mit der Ernte abzupacken.
In einem grossen Unterstand aus Holz steht ein langer Tisch in der Mitte. Darauf befinden sich dutzende weisse Taschen, die die Anwesenden nach und nach mit Gemüse befüllen.
Ein wenig vor dem Unterstand an der Morgensonne steht Maja, vor sich eine Plastikkiste mit Zwiebeln und eine zweite Kiste, die bereits voll ist mit Zwiebelschalen. «Bei den Zwiebeln muss man immer gut schauen, manchmal hat es angefaulte darunter», sagt Maja, während sie die Zwiebeln rüstet.
Die Taschen mit dem Gemüse werden an alle Mitglieder des «Setzhouz» verteilt, wie das bei der solidarischen Landwirtschaft üblich ist. Solidarische Landwirtschaft – oft abgekürzt Solawi genannt – ist vereinfacht gesagt die direkte Zusammenarbeit zwischen Produzent*innen und Konsument*innen, bei der sich die Mitglieder an der Produktion beteiligen und eine Abnahmegarantie für die Ernte abgeben.
Für die konkrete Umsetzung dieses Konzepts gibt es verschiedene Modelle. Das häufigste sieht ungefähr so aus: Mitglieder kaufen Anteilsscheine, zahlen einen Jahresbeitrag und leisten Arbeitseinsätze. Dafür erhalten sie wöchentlich eine Gemüsetasche.
Auch das «Setzhouz» funktioniert nach diesem Modell. «Setzhouz»-Mitbegründer Martin Huggenberger fasst es folgendermassen zusammen: «Wir produzieren das Gemüse zusammen und essen es gemeinsam.» Das heisst, das Gemüse kommt nicht in den Handel, sondern wir untereinander aufgeteilt, führt Huggenberger aus.
Das «Setzhouz» befinde sich nun bereits in der fünften Saison erzählt Martin Huggenberger. Um die 70 aktive Mitglieder zählt die Solawi mittlerweile. Vorgesehen sind Ernteanteile für 200 Personen.
Im Vergleich mit einem herkömmlichen Gemüse-Abo wirkt eine Solawi-Mitgliedschaft weniger flexibel: Es gibt kein Wunschkonzert und die Arbeitseinsätze erfordern Zeit. Für Martin Huggenberger sticht aber genau durch die Arbeitseinsätze der soziale Aspekt besonders hervor: «Wir haben viele ältere Menschen, die es sehr schätzen, dass sie ihre gesammelten Lebensressourcen bei uns einbringen können.»
Die Abpackenden im Unterstand scheinen ihre Arbeit bei der Solawi sehr zu geniessen. Einige führen Gespräche, andere sind meditativ bei ihrer Arbeit. Gehetzt wirkt hier niemand, die Atmosphäre ist angenehm entspannt.
In der Znüni-Pause kommt der gesellige Aspekt der Solawi noch stärker zum Ausdruck. Nach ihrer Motivation gefragt, streichen die meisten «Setzhouz»-Mitglieder genau diesen Aspekt heraus. Sophie etwa ist schon mehrere Jahre dabei. Für sie ist das Hauptargument für die Solawi das Gemeinsame. Dass sie in ihrem eigenen Garten allein ist, sei auch schön, die Gemeinsamkeit bei der Solawi sei dafür eine gute Ergänzung. «Es ist eine Bereicherung, mit anderen Leuten etwas aufzubauen und zusammen zu arbeiten», sagt Sophie.
Hell auf begeistert ist auch Neumitglied Jaqueline. Sie ist am Anlass für Münsinger Neuzuzüger*innen wenige Tage zuvor auf das Projekt aufmerksam geworden. Das Konzept der Solawi hat sie sofort überzeugt. «Ich finde es eine super Idee, denn man kann mithelfen, arbeitet gemeinsam, ist körperlich aktiv, profitiert von gesundem Gemüse und kann dabei zusehen, wie das eigene Gemüse wächst», schwärmt sie vor.
Leute wie Jaqueline zu finden, das ist für viele Solawi-Projekte in den vergangenen Jahren schwieriger geworden. Statt auf Konkurrenz wollen die verschiedenen Projekte rund um Bern auf Zusammenarbeit setzen, sagt Martin Huggenberger. Zusammenarbeit habe es auf verschiedene Weise schon immer gegeben erzählt er, etwa wenn es um den Austausch von Maschinen oder Saatgut geht oder auch mal mit Arbeitskraft.
Um mehr Menschen für die Solawi zu begeistern, braucht es mehr Kommunikation nach aussen, ist Huggenberger überzeugt. Deshalb haben sich sieben Solawis aus der Region zusammengetan und einen gemeinsamen Webauftritt lanciert. Auf solawibern.ch befinden sich Informationen zu den einzelnen Projekten, deren Standorte und Depots sowie Argumente für die Solawi.
Neben dem «Setzhouz» gehört auch das «Radiesli» zu Solawi-Bern. Rund 6.5km weiter nördlich in Worb sind hier kurz vor Mittag Mitglieder dabei, Salat zu setzen.
Das «Radiesli» ist eine der ältesten Solawis in der Region Bern. Und eine der grössten: Das «Radiesli» bewirtschaftet einen ganzen Hof, erzählt Marion Salzmann, die Teil der Betriebsgruppe ist: «Wir produzieren hier Gemüse für die Gemüsetaschen und fürs Lager, ausserdem produzieren wir Obst und verschiedenes Getreide.» Ausserdem gibt es auf dem «Radiesli»-Hof Tiere. «Hühner, eine Mutterkuh-Herde und ein paar Ziegen», zählt Salzmann auf.
Auch beim «Radiesli» betonen die Mitglieder die Gemeinschaft als Motivation für ihr Engagement. David der seit über zwölf Jahren – also fast schon seit Beginn – Mitglied ist, kommt wegen der positiven Stimmung immer wieder gerne auf den Hof. «Man lernt immer wieder neue Leute kennen und mir gefällt die gemeinsame Arbeit auf dem Feld sehr», fügt David an.
Aber auch in Worb ist es in den vergangenen zwei Jahren schwieriger geworden, Mitgliederabgänge wieder neu zu besetzen. Es brauche dafür mehr Werbung als früher, sagt Marion Salzmann.
Ein Teil der Herausforderung sei es, die Leute dafür zu sensibilisieren, dass es schön ist, die Zeit damit zu verbringen, die eigenen Nahrungsmittel herzustellen. «Dabei erleben wir es immer wieder, dass die Menschen die Zeit auf dem Hof sehr schätzen und es als Lebensqualität erachten, Zeit dafür zu haben», sagt Salzmann. Deshalb sei für sie klar: Solawi ist mehr als nur ein Gemüseabo. Es gehe auch darum, sich Gedanken darüber zu machen, wofür man Zeit aufwenden will und darum, eine andere Form des Wirtschaftens auszuprobieren.
Für Marion Salzmann persönlich gibt es noch eine weitere Motivation, bei einer Solawi mitzumachen: «In der aktuellen Zeit ist es ein einfacher Weg, um konkret etwas zu bewirken.» Denn die Solawi Vereine Aspekte der Ökologie, eine zukunftsfähige Landwirtschaft, soziale Entwicklung und einen anderen Umgang mit Geld.
Die neue Website soll all diese Aspekte vermitteln. Damit, so die Hoffnung der beteiligten Solawis, auch in den nächsten Jahren neue Leute Freude finden am Abpacken oder Salat setzen.