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10. November 2025
«Wenn Rechte Grenzen überschreiten» – globaler Aktionstag gegen anti-migrantische Politik
Der Globale Aktionstag zu Migration wird initiiert von «Migration Scholars' Global Solidarity and Resistance Network» und findet auch in Bern statt. (Bild: https://migrationscholarsmobilize.org/tio)

Am 11. November findet weltweit ein Aktionstag gegen antimigrantische Politik statt. Von Mexiko über Kanada bis nach Bern sollen an diesem Tag Diskussionen, Workshops und sogenannte «Teach-ins» stattfinden. Ziel ist es, ein globales Netzwerk von Forschenden, Aktivist:innen und solidarischen Gruppen zu stärken, die sich gegen die zunehmende Repression gegenüber Migrant:innen einsetzen. In Bern findet anlässlich dieses Aktionstages eine Veranstaltung im Living Room statt. Organisiert wird die Veranstaltung von Angehörigen des Departements Sozialanthropologie und Kulturwissenschaftliche Studien der Universität Bern. Anhand des Films «The Mind Game» (2023) von Sajid Khan Nasiri, Eefje Blankevoort und Els van Driel und einer Einführung von Historiker Jonathan Pärli soll die Veranstaltung Raum für Diskussionen bieten und Personen aus sozialen und politischen Bewegungen, Betroffene und Menschen aus dem wissenschaftlichen Bereich zusammenbringen.

Der Aktionstag geht auf einen Aufruf aus den USA zurück. Dort haben Migrationswissenschaftler:innen und Aktivist:innen das Netzwerk Migration Scholars Mobilize gegründet – als Reaktion auf eine sich verschärfende Migrationspolitik und gezielte Angriffe auf kritische Stimmen. «Es geht darum, öffentlich und solidarisch für Geflüchtete einzutreten und sich gegen anti-migrantische Politiken und Narrative zu wehren», erklärt Anna Wyss, Wissenschaftlerin am Institut für Sozialanthropologie der Universität Bern. «Gleichzeitig wollen wir uns gegenseitig unterstützen – gerade, weil in vielen Ländern auch Wissenschaftler:innen unter Druck geraten.»

«Wir wollen uns gegenseitig unterstützen – in vielen Ländern geraten Wissenschaftler:innen unter Druck.»
Anna Wyss Post-Doc am Institut für Sozialanthropologie Uni Bern

Systematische Verfolgung in den USA

In den Vereinigten Staaten hat sich die Situation in den vergangenen Monaten dramatisch zugespitzt. Die Immigrationsbehörde ICE gehe rücksichtslos gegen Menschen ohne regulären Aufenthaltsstatus vor. «Man kann fast von Jagden auf Migrant:innen sprechen», so Sabine Strasser, Professorin am Institut für Sozialanthropologie. Grosse Polizeieinsätze in Stadtteilen mit hohem Migrant:innenanteil seien keine Seltenheit mehr, viele würden verhaftet und abgeschobenk, sagt Strasser.
Parallel dazu verschärft sich der politische Diskurs. Abwertende Aussagen über Migrant:innen, die bis hin zu tierischen Vergleichen reichen, prägten das gesellschaftliche Klima. «Diese Entmenschlichung ist Teil der Politik», sagt sie. «Sie soll Abschiebungen legitimieren und Forschung, die sich kritisch damit auseinandersetzt, zum Schweigen bringen.»

«Man kann fast von Jagden auf Migrant:innen sprechen.»
Sabine Strasser Professorin am Institut für Sozialanthropologie Uni Bern

Abschottung: Die Schweiz im europäischen Kontext

Auch in Europa lassen sich ähnliche Tendenzen beobachten - Zwar gebe es hier keine Massendeportationen wie in den USA, doch die Grundlogik sei dieselbe, so Strasser: Menschen ohne regulären Status gelten als «nicht berechtigt», im Land zu sein. Diese Haltung spiegle sich in der Rhetorik führender Politiker:innen und in der europäischen Grenzpolitik wider. «Je mehr Geld in Abschottung fliesst, desto gewaltsamer werden die Praktiken – etwa durch Pushbacks an den Aussengrenzen», warnt sie. Und die Schweiz ist Schweiz ist in diese Politik eingebunden. Sie beteiligt sich an Frontex und orientiere sich stark an der EU-Migrationspolitik. «Wir müssen die Schweiz europäisch denken», betont Anna Wyss, doch sie verweist zugleich auf eine eigene, lange antimigrantische Tradition im Land: «Die Überfremdungsdebatten der letzten Jahrzehnte wirken bis heute fort.»


Rechte Parteien prägten den Diskurs, Migration werde als Ursache gesellschaftlicher Probleme dargestellt – von Kriminalität bis Wohnungsnot. Diese Narrative hätten konkrete Folgen: Menschen mit prekärem Aufenthaltsstatus seien rechtlich und sozial benachteiligt. «Selbst nach Generationen erleben viele keine Gleichstellung», sagt sie. «Das ist institutionalisierter Rassismus.»

Besonders besorgniserregend sei der wachsende Einfluss rechtsextremer Bewegungen, die offen von «Remigration» sprechen – also auch Menschen mit Staatsbürgerschaft infrage stellen. «Das ist neu im europäischen Diskurs», so Strasser. «Und es zeigt, wie gefährlich die Verschiebung der Grenzen des Sagbaren geworden ist.»

«Die Überfremdungsdebatten der letzten Jahrzehnte wirken bis heute fort.»
Anna Wyss Post-Doc am Institut für Sozialanthropologie Universität Bern

Wissen teilen, Öffentlichkeit schaffen

Mit dem Aktionstag am 11. November wollen Forschende und Aktivist:innen ein Zeichen setzen – und die akademische Debatte aus den Universitäten heraustragen. In Anlehnung an die «Teach-ins» der 1960er-Jahre sollen öffentliche Gespräche und Workshops Raum für Austausch schaffen. «Es geht nicht nur darum zu lehren, sondern gemeinsam Wissen zu produzieren und neue Formen des Widerstands zu denken», erklärt Anna Wyss.

Der Titel der Veranstaltung – «Wenn Rechte Grenzen überschreiten» – spielt bewusst mit einer Doppeldeutung: Er verweist sowohl auf die politischen und rechtlichen Grenzverschiebungen als auch auf die grenzüberschreitende Vernetzung rechtsextremer Bewegungen. «Diese beiden Entwicklungen sind eng miteinander verbunden» so Sabine Strasser und fährt fort: «Rechtsextreme Politik braucht Migration als Feindbild, um sich global zu vernetzen.»

Am Ende gehe es um eine zentrale Frage: Was haben die Rechte von Migrant:innen mit den Rechten aller zu tun? Die Mitorganisator:innen haben darauf eine Antwort parat: «Nur wenn wir verstehen, dass Angriffe auf Migrant:innen auch Angriffe auf unsere gemeinsame Freiheit sind, können wir eine solidarische Antwort darauf finden.»

Wo findet die Veranstaltung statt?

Die Veranstaltung «Wenn Rechte Grenzen überschreiten» findet am Dienstag 11. November 2025 von 19:00–22:00 Uhr im Living Room statt.

Der Rahmen bietet der Globalen Aktionstags des «Migration Scholars Mobilize Network».

Gezeigt wird der Film «The Mind Game» (2023) von Sajid Khan Nasiri, Eefje Blankevoort und Els van Driel, mit einer Einführung von Jonathan Pärli.

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