Die nationalen Strassenprojekte rund um Bern geben zu reden. Die Ergebnisse der jüngst veröffentlichten ETH-Studie unter der Leitung fon Professor Ulrich Weidmann dürften auch solche Projekte beeinflussen, die gar nicht Gegenstand der Studie waren. So etwa die Umgestaltung des Autobahnanschlusses Wankdorf (BUGAW), im Volksmund auch Spaghetti-Teller genannt.
Dieses Projekt des Bundesamts für Strassen ASTRA hat die Weidmann-Studie zwar nicht beurteilt, doch weil es eingebettet ist in ein Geflecht von geplanten Projekten, beeinflussen die Ergebnisse der Studie auch die Diskussionen um das Projekt BUGAW. So betrachte die Kritiker*innen das Projekt nun als noch weniger legitimiert, als sie das bisher taten.
Ein solcher Kritiker ist der Berner Grossrat Bruno Vanoni (Grüne) aus Zollikofen. Im Kantonsparlament hat er eine Interpellation eingereicht, die dem Regierungsrat die Frage stellt, ob das Projekt nicht auch kleiner geplant werden könnte. Auslöser war das Nein der Schweizer Stimmbevölkerung zum Ausbau der Nationalstrassen und damit zum Ausbau der Autobahn Grauholz. Diese will der Bund auf 8 Spuren erweitern. Mit dem Wegfall des Autobahnausbaus sei der BUGAW in seiner geplanten Form zu gross, argumentiert Vanoni in seinem Vorstoss.
Der Regierungsrat sieht das anders. In seiner Antwort hält er am Projekt fest. Der Autobahnanschluss sei schon jetzt überlastet. Ausserdem seien Folgeprojekte von der Umgestaltung abhängig – auch Velorouten wie die Velohauptroute Worblental. Diese sei schon lange Thema, ohne dass etwas geschehe, meint Vanoni. Ein Argument, das Bruno Vanoni nicht zählen lässt: Projekte, um den Veloverkehr zu fördern, gibt es genug, findet Vanoni. Für diese gäbe es bereits Projektierung, der Kanton müsse nur mehr vorwärts machen. «Man darf den Veloverkehr nicht heranziehen, um Autobahnausbauten zu legitimieren», sagt Vanoni.
Ein weiteres Folgeprojekt, dass der Regierungsrat anspricht ist der Bypass Bern-Ost. Dieser sei auf die Umgestaltung angewiesen, argumentiert der Regierungsrat. Das erstaunt Bruno Vanoni, denn die Zukunft dieses Projekts ist seit der Weidmann-Studie ungewiss. Die Analyse des ETH-Professors spricht dem Bypass Bern-Ost eine geringe Priorität zu. «Wenn der Bypass nicht kommt, wird die Grundlage für den Wankdorf-Ausbau bröckliger als ohnehin schon», gibt Bruno Vanoni zu bedenken.
Nach dem die Schweizer Stimmbevölkerung vergangenen November Nein gesagt hat zu mehreren Ausbauprojekten der Schweizer Nationalstrassen, liess das Eidgenössische Departement für Umwelt Verkehr und Kommunikation rund 500 schweizweit geplante Verkehrsprojekte nach wissenschaftlichen Kriterien priorisieren.
Bundesrat Albert Rösti (SVP) beauftragte den ETH-Professor Ulrich Weidmann mit der Analyse. Dieser veröffentlichte am 9. Oktober seinen Bericht. Darin rechnet er in der Region mehreren Bahnprojekten in der Region Bern eine hohe Priorität zu. So sollen verschiedene RBS-Strecken (etwa bei Bolligen oder bei Deisswil) möglichst bald auf eine Doppelstrecke ausgebaut werden.
Trotz der Ablehnung an der Urne stuft der Bericht ausserdem das Autobahnausbauprojekt Grauholz als prioritär ein.
Als wenig prioritär wertet der Bericht den Bypass Bern-Ost. Dieses Projekt sieht vor, dass die Autobahn zwischen den Anschlüssen Wankdorf und Muri in einen Tunnel verlegt wird.
Dass die Ergebnisse der Weidmann-Studie in der Vorstossantwort nicht erwähnt werden hat einen einfachen Grund. Weil solche Antworten einigen Vorlauf benötigen, konnten die Ergebnisse der Studie nicht mehr einfliessen, schreibt die Bau und Verkehrsdirektion des Kantons Bern auf Anfrage. Die Ergebnisse hätten jedoch an der Antwort nichts geändert, so die Direktion weiter.
Dass die Weidmann-Studie – im Unterschied zum Bypass Bern-Ost – den Autobahnausbau Grauholz hoch priorisiert, spielt für die Kritik von Bruno Vanoni keine Rolle. Er habe die Umgestaltung des Wankdof-Anschlusses bereits vor dem Volksentscheid kritisiert. Dann also, als noch mit dem Ausbau zu rechnen war.
Für Vanoni ist eine andere Erkenntnis aus der Weidmann-Studie viel wichtiger. Nämlich jene, dass noch vor den Autobahnausbauten andere Verkehrsprojekte erste Priorität erhalten: «Die Studie gibt den Banverkehrsprojekten in der Region die oberste Priorität, dashalb sollten diese Projekte nun als erstes angegangen werden.»
Bei den Strassenprojekten sieht es derweil so aus, als würde sich der Kanton an der Seite des Bundes gegen die Interessen der Stadt und der lokalen Bevölkerung einsetzen. Sowohl die Stadt als auch Verbände und Privatpersonen haben im Sommer Beschwerde eingereicht gegen die Planungsbewilligung des BUGAW. Die Stadt will sich ausserdem gegen den Ausbau im Grauholz und für den Bypass Bern-Ost einsetzen.