Im Juni 2021 beobachten mehrere Journalist:innen zufällig eine Verhaftung in Bern. Ein Mann wurde zu Boden gedrückt, das Knie eines Polizisten kommt gefährlich nahe an den Hals des Mannes. In einem Artikel in der Zeitung der Bund ziehen die Journalist:innen einen Vergleich zum Mord an George Floyd.Das sorgte für Aufsehen, auch in der Politik: Der Regierungsrat hat heute einen Bericht publiziert, der die Berichterstattung genau analysiert und feststellt, dass der Bund und die Berner Zeitung in wichtigen Punkten irreführend und vorverurteilend berichtet hätten. Die Journalist:innen von Tamedia seien Wahrheitssuche ungenügend nachgekommen. Sie hätten die Sorgfaltspflicht verletzt und damit gegen den Schweizer Journalistenkodex verstossen.
Dass sich Regierungsrat so intensiv mit der Medienberichterstattung befasst, ist unüblich und geschah im Auftrag des Grossen Rates. Die bürgerliche Mehrheit nahm eine Motion an, die Aufklärung in diesem Fall verlangte. In der Schweiz ist im Grundsatz der Presserat die Instanz für medienethische Fragestellungen. Auf Anfrage von RaBe-Info schreibt der Schweizer Presserat, es sei im Zusammenhang mit dem Fall keine Beschwerde eingegangen. Das wird wohl auch in Zukunft nicht der Fall sein, denn wie der Regierungsrat im Bericht festhält, ist die Frist dafür bereits abgelaufen. Dass die Politik die Medienberichterstattung kritisiert, ist nicht ungefährlich. Der Regierungsrat meint aber, es müsse verhindert werden, dass der Fall weiter medial mit übertriebener Polizeigewalt in Verbindung gebracht werde. Und, als Arbeitgeber will der Kanton auch den betroffenen Polizisten schützen. Dieser werde nämlich zu Unrecht öffentlich vorverurteilt. Der Regierungsrat betont, die Pressefreiheit bleibe trotz politischer Involvierung bewahrt
In einer Stellungnahme vom Mai letzten Jahres hält Tamedia daran fest, dass die Berichterstattung von BZ und Bund korrekt, professionell und von hohem öffentlichem Interesse war. Verbesserungspotential räumt Tamedia bei der Freischaltung von Online-Kommentaren ein. In der Sommersession wird der Bericht nun dem Grossen Rat vorgelegt: Das letzte Kapitel in diesem Fall ist wohl noch nicht geschrieben.