Staatsverweigerer*innen lehnen den Staat und das Rechtssystem ab. Ihren Begründungen dafür liegt oft eine Logik zugrunde , die in Verschwörungserzählungen wurzelt. Nach aussen hin werden sie dann auffällig, wenn sie mit bestimmten Behörden in Kontakt treten oder, wenn sie Parallelgesellschaften aufbauen. Etwa, indem sie eigene Schulen gründen.
Besonders während der Coronapandemie erlebte die Szene viel Zulauf. Über den aktuellen Zustand der staatsverweigernden Szene ist allerdings wenig bekannt. In der soeben zu Ende gegangenen Frühlingssession hat der Nationalrat über ein Postulat abgestimmt, das vom Bundesrat einen umfassenden Bericht verlangt. Geschlossen gegen dieses Postulat haben die Fraktionen der FDP sowie der SVP gestimmt. Alle anderen Fraktionen haben dafür gestimmt und das Postulat somit angenommen.
Stefan Manser-Egli ist forscht an der Universität Fribourg und an der Universität Amsterdam zur staatsverweigernden Szene. «Es gibt bestimmte Merkmale, wann wir von Staatsverweigerer*innen sprechen, häfuig ist das in Verbindung mit Verschwörungtheorien der Fall», erklärt Manser-Egli. Damit einher gehe auch, dass sich die Argumentationen dieser Leute oft gleichen.
Querulant*innen, die sich gegen Behörden stemmen, habe es zwar schon immer gegeben, doch bei den Staatsverweigerer*innen finde eine stärkere inhaltliche Bezugnahme zueinander statt: «Die Argumente sind sehr stringent geworden ausserdem hat die Häufigkeit des Phänomens zugenommen.» Zu dieser Argumentation gehört etwa, dass der Staat eine Firma sei. Wie gut sich die Szene in den vergangenen Jahren organisiert und vernetzt hat, kann die Forschung derzeit noch nicht sagen.
Die wohl bekannteste Gruppe der Staatsverweigerer*innen sind die Reichsbürger*innen aus Deutschland. Über die Szene in der Schweiz ist hingegen noch weniger bekannt. Es gibt aber bedeutende Unterschiede. So beziehen sich die Reichsbürger*innen auf das deutsche Kaiserreich – ein Bezug, den die Schweizer Staatsverweigerer*innen nicht herstellen können. «Das monarchistische ist in der Schweiz weniger verbreitet, inzwischen wird aber oft ein Bezug zur alten Eidgenossenschaft hergestellt», sagt Stefan Manser-Egli. Das heisst, die Staatsverweigerer*innen lehnen den modernen Bundesstaat von 1848 ab.
Was etwas verschroben klingt, kann heftige Auswirkungen auf Angestellte von Behörden haben. Wie Stefan Manser-Egli erzählt, werden diese von den Staatsverweigerer*innen häufig bedroht, angezeigt oder betrieben. «Das kann ziemlich krass sein, des es betrifft nicht nur das Kader, sondern auch die Leute am Schalter», ergänzt der Forscher. Deshalb sei es den Behörden wichtig, dass die Politik die Gefahr, die von der Szene ausgeht, anerkennt.
Manche Behördenvertreter*innen versuchten ausserdem, durch persönliche Gespräche zur Deratikalisisierung beizutragen, erzählt Manser-Egli. An konkreten Beispielen wie der Frage, ob kein Krankenwagen kommen soll, weil jemand die Krankenkassenrechnung nicht zahlen will, versuchen sie so die Funktion des Gemeinwesens zu erläutern. «Letztlich geht es um diese übergeordneten Fragen», sagt Stefan Manser-Egli, «um den Gesellschaftsvertrag und darum, ob man sich da dazugehörig fühlt oder nicht.»