Von
am
24. Oktober 2025
Kommt in Portland nun die Nationalgarde zum Einsatz?
Mark Graves/The Oregonian
Foto: Mark Graves/The Oregonian Täglich demonstrieren Menschen in Portland gegen die Migrationsbehörde ICE.

Maskierte Angehörige der US-Migrationsbehörde ICE entführen täglich Menschen, um sie in Abschiebezentren zu bringen. Landesweit protestiert die Bevölkerung täglich gegen dieses Vorgehen. Gegen die Proteste vor einem Gebäude der ICE in Portland will Trump seit geraumer Zeit die Nationalgarde einsetzen. Ein Gerichtsentscheid diese Woche könnte das zur Realität werden lassen. Wir haben mit dem freien Journalisten Max Böhnel aus New York darüber gesprochen.


Was genau hat Trump dazu veranlasst, die Nationalgarde nach Portland entsenden zu wollen?

Trump begründet den geplanten Einsatz mit angeblichen Angriffen auf ein Gebäude der Einwanderungsbehörde ICE und auch mit der Gefährdung von Bundesbediensteten. In seiner Darstellung ist die Stadt unter Belagerung von inländischen Terrorist*innen. Die Behörden in Portland und auch im Bundesstaat Oregon widersprechen dieser Darstellung. Niemand sieht einen Notstand, auch die Polizei nicht. Es geht Trump nur darum, Härte zu demonstrieren gegenüber der Opposition, gegenüber allen, die nicht loyal ihm gegenüber sind.

Am Dienstag hat es ein Berufungsgericht erlaubt, dass der Präsident die Nationalgarde nach Portland entsenden darf. Ab wann ist mit Truppen in Portland zu rechnen?

Es gibt noch eine zweite gerichtliche Verfügung, die den Einsatz derzeit noch blockiert. Das heisst, dass die Truppen wahrscheinlich noch nicht unterwegs sind und dass unklar ist, wann sie tatsächlich eintreffen könnten. Man rechnet frühestens in den nächsten Tagen oder Wochen mit einer Entscheidung, ob die Entsendung wirklich umgesetzt wird.

Wie haben die Protestierenden auf den Gerichtsentscheid reagiert?

Viele Aktivist*innen beklagten, das Urteil stelle eine Form von Militärintervention gegen zivilen Protest dar. Sie warnen davor, dass so ein Einsatz ein kompletter Rechtsbruch sei, etwa gegen das Versammlungsrecht. Einige Gruppen reagierten mit satirischer oder mit symbolischer Gegenwehr, durch die berühmten Tierkostüme beispielsweise oder mit einer Fahrraddemonstration, bei der Dutzende von Leuten komplett nackt waren. Damit wollen sie die Rhetorik zu kontern, die Stadt befände sich im Kriegsmodus.

« Viele befürchten, mit der geplanten Entsendung von Bundestruppen könnte es wieder zur Eskalation kommen.»
Max Böhnel freier Journalist

Andere haben zur Deeskalation aufgerufen und betont, dass Portland eine lange Tradition von gewaltfreier Mobilisierung habe. Man werde und dass man aber auch reagieren würde, wenn die Truppen entsandt werden und zwar mit gewaltfreiem Widerstand und mit Solidarität.

Besteht trotzt dieser Tradition der gewaltfreiheien Mobilisierung in Portland das Risiko, dass die Anwesenheit von Soldat*innen die Situation eskalieren lässt?

Ja, auf jeden Fall. Dieses Risiko sehen viele Beobachter und auch lokale Behörden. Dafür gibt es Präzedenzfälle. Nach dem Tod von George Floyd im Jahr 2020 und ein Jahr danach hatten Einsätze von Bundeskräften in Portland zu teils ganz heftigen Auseinandersetzungen geführt. Im Jahr 2021 kam es sogar zu Strassenschlachten, in denen die rechtsextremen Proud Boys involviert waren. Viele befürchten, mit der geplanten Entsendung von Bundestruppen könnte es wieder zur Eskalation kommen.

Portland ist nicht die einzige Stadt, in der die Nationalgarde gegen Proteste eingesetzt werden soll. Was bedeutet der Gerichtsentscheid für die Zukunft?

Der Gerichtsentscheid ist sehr besorgniserregend, denn er könnte zum Präzedenzfall werden. Der Entscheid stärkt nämlich die Befugnisse des Präsidenten, diese Einheiten auch ohne Zustimmung der Einzelstaaten einzusetzen. Damit könnte die Bundesregierung viel leichter auf Proteste in diesen anderen Städten reagieren – besonders dann, wenn sie als Bedrohung der öffentlichen Ordnung dargestellt werden.

Das Urteil verwischt die Grenzen zwischen Polizei und Militär noch weiter und ausserdem wird das Machtgleichgewicht zwischen Einzelstaaten und Bundesregierung noch weiter zugunsten des Weissen Hauses verschoben. Diese Verschiebung in Richtung zusätzlichem Autoritarismus – manche nennen das bereits Faschismus – wird sich noch weiter verstärken, schlimmstenfalls, wenn Trump sich auf die Gefährdung der nationalen Sicherheit beruft und über den berüchtigten Insurrection Act aus dem Jahr 1807 den Notstand ausruft.

Was besagt dieses alte Gesetz genau?

Mit dem Insurrection Act kann der Präsident, wenn die nationale Sicherheit bedroht ist, Bundestruppen einsetzen und den Notstand ausrufen. Das ermöglicht ihm, die Rechte von Einzelstaaten und lokalen Behörden einzuschränken.

«Das Urteil verwischt die Grenzen zwischen Polizei und Militär.»
Max Böhnel freier Journalist

Trump sagte ja jetzt ganz konkret zum Fall von Portland, die Ausrufung dieses Insurrection Acts sei noch nicht erreicht. Er tue dies dann, wenn Menschen getötet würden und die Gerichte seine Regierung aufhielten oder Gouverneure und Bürgermeister sie blockierten. Als Trump dies sagte, sprach der stellvertretende Stabschef des Weissen Hauses am selben Tag von einer juristischen Aufstandsbewegung der die Regierung gegenüberstehe.

Trump und seine Loyalisten behalten sich demgegenüber tatsächlich vor, den Notstand auszurufen. Das schwebt wie so ein Schwert über uns allen.

00:00
00:00
Herunterladen
Teilen
Rabe
Radio Bern: RaBe Sulgenrain 28, 3007 Bern,
rabe@rabe.ch
Studio:
031 330 99 99
,
studio@rabe.ch