Den Kapitalismus überwinden hat sich die Alternative Linke Bern (AL) im Jahr 2021 vorgenommen. Mit einem Postulat im Stadtrat will die Partei diesem Ziel einen Schritt näher kommen. Der Vorstoss verlangt von der Stadtregierung unter anderem, dass sie prüft, wie die Demokratisierung der Wirtschaft vorangetrieben werden kann.
Den Kapitalismus auf Kommunaler Ebene überwinden? Bei vielen löste das Postulat anfänglich ein Lächeln aus. Doch für die AL steckt ein ernstes Anliegen dahinter: Die Stadt soll ernsthaft darüber nachdenken, wie sie ihren Gestaltungsspielraum nutzen kann, um zu einer demokratischeren Wirtschaft zu finden.
Weil das Postulat letztes Jahr vom Stadtrat angenommen wurde, ist die Stadt nun verpflichtet genau das zu tun. Anfang Jahr hat das Wirtschaftsamt der Stadt Bern zu einem offenen Workshop eingeladen. Diese Woche nun traf sich das Amt mit Vertreter*innen aus der Berner Wirtschaft um über die Überwindung des Kapitalismus zu sprechen. Unter Leitung des Beratungsunternehmens conseil3 diskutierten sie runde eine Stunde lang.
Hansmartin Amrein, Leiter des Wirtschaftsamts der Stadt Bern, Bereitete der Auftrag aus dem Stadtrat zu Beginn Kopfzerbrechen. Vertreter*innen der Wirtschaft dazu bringen, über das Ende des Kapitalismus nachzudenken – das war für Amrein anfänglich eine Mission Impossible.
Mit dem Verband Verband «Der Gewerbeverein» – ein Zusammenschluss von kleineren und mittleren Unternehmen, die sich als progressiv verstehen und sich einer nachhaltigen Wirtschaftsform verpflichtet fühlen – konnte sich Hansmartin Amrein eine Diskussion aber vorstellen. Neun Vertreter*innen nahmen am Workshop teil.
Am Ende lief das Ganze auf eine Diskussion über einen reformierten Kapitalismus und die soziale Marktwirtschaft hinaus. Über die Eigentumsfrage – ein Grundanliegen der Kapitalismuskritik – sprachen die Teilnehmenden hingegen nicht.
Auch in Bern scheint also das Ende des Kapitalismus noch gerade nicht absehbar. Die Stadt hat sich dem Auftrag aus dem Stadtrat aber angenommen und ist aufrichtig darum bemüht, mögliche Massnahmen für eine demokratischere Wirtschaft zu prüfen.
Das ist deshalb bemerkenswert, weil es noch vor einigen Monaten anders tönte. Während der Debatte im Parlament zeigte der damalige Stadtpräsident Alec von Graffenried wenig Begeisterung. Die Stadt würde eine wissenschaftliche Mitarbeiterin dazu verdonnern, eine Abhandlung dazu zu schreiben – viel Aufwand für nichts.
Wie Hansmartin Amrein sagt, will sich die Stadtverwaltung nun doch nicht mit einer solchen einfachen Postulatsantwort zufrieden geben. Denn das Anliegen sei durchaus ernst zu nehmen. Ob mit dem Ergebnis auch die Postulant*innen zufrieden sein werden, das wird sich im April zeigen. Dann soll der Stadtrat über die Antwort der Stadtregierung befinden.