Den Kapitalismus in der Stadt Bern überwinden. Das will die Alternative Linke Bern (AL) und fordert deshalb in einem Postulat von der Stadt, dass diese ihren diesbezüglichen Handlungsspielraum prüft. Der Stadtrat hat dieses Postulat angenommen und dem Gemeinderat überwiesen. In den vergangenen Monaten hat sich die Stadt dieser Aufgabe angenommen und hat unter anderem zu verschiedenen Workshops zum Thema eingeladen.
AL-Stadtrat Raffael Joggi hatte damals in der Stadtratsdebatte das Postulat vorgestellt und dabei gleich einen Grundkurs in Kapitalismuskritik gegeben. «Worauf ich damals hinaus wollte ist, dass die Tatsache, dass im Produktionsprozess etwas vorgestreckt wird, in der Marktlogik rechtfertigt, dass ein Teil des Mehrwerts abgezweigt wird», erklärt Joggi. Es geht ihm also um eine grundlegende Kritik des Kapitalismus: Dass jene, die über die Produktionsmittel verfügen, von der Arbeit anderer profitieren, stellt eine grundelegende Ungerechtigkeit dar.
Diese grundsätzliche Kritik findet Joggi im Bericht des Gemeinderats, der seit letzter Woche vorliegt, nicht sehr stark vertreten: «In der Einleitung wird schon darauf hingewiesen, dam Kapitalismus soziale und ökologische Verwerfungen inhärent sind, doch dort hört es dann auch auf.» Vielmehr werde darauf hingewiesen, was die Stadt flankierend unternehmen kann.
Das zeigt sich auch daran, dass im Bericht häufiger Begriffe wie Gemeinwohlökonomie oder soziales Unternehmertum vorkommen. Das sei zwar nicht überraschend aber entspreche nicht dem worauf seine Partei mit dem Postulat hinaus wollte, sagt Raffael Joggi. Die Idee hinter dem Vorstoss sei gewesen, dass die zugrundeliegenden Strukturen nicht aus dem Blick geraten. «Der Referenzpunkt sollte sein, dass der Kapitalismus überwunden wird und das sollte Tag für Tag unsere politischen Entscheidungen prägen», führt Joggi die Absicht hinter dem Vorstoss aus.
Die Stadt Bern mache bereits einiges richtig. «Die Stadt ist beispielsweise gut darin, offensiv Grundstücke zu kaufen, um daraus Sozialwohnungen oder günstigen Wohnraum zu schaffen.» Mit den Mitteln des Marktes entziehe die Stadt so Eigentum der Marktlogik. Stattdessen wird dieses Eigentum unter demokratische Kontrolle gebracht.
Damit kann die Stadt jedoch nicht grundlegend etwas an der Eigentumsfrage ändern. Darauf weist der Gemeinderat denn auch in seinem Bericht hin. Er verweist auf rechtliche Vorgaben und die Abhängigkeit von kantonalen und nationalen Rahmenbedingungen. So ist etwa das Recht auf Eigentum in der Bundesverfassung verankert.
Für Raffael Joggi ist es dennoch kein Widerspruch, in einer Gemeinde den Kapitalismus überwinden zu wollen: «Konkret in der Stadt Bern haben jene Parteien die Mehrheiten, bei denen die Überwindung des Kapitalismus im Parteiprogramm steht.» Im Kanton oder auf nationaler Ebene würde sich das schwieriger gestalten.
Gerade weil es die demokratischen Kräfteverhältnisse erlauben, müsse man es in der Stadt Bern versuchen und forcieren, den Kapitalismus zu überwinden. «Wenn wir als Gesellschaft nicht über die ökonomischen Mittel verfügen können, wird die Teilhabe zur Frace», sagt Raffael Joggi. Er sieht die Rolle seiner Fratkion darin, solche Themen immer wieder aufs Parkett zu bringen und die Regierungsparteien darauf hinzuweisen, dass sie ähnliche Ziele verfolgen. Deshalb werde er den Bericht des Gemeinderats im Stadtrat auch traktandieren. Er kann sich aber gut vorstellen, dass der Bericht von einer Mehrheit im Stadtrat nicht an den Gemeinderat zurückgewiesen wird.