Der Stonewall-Aufstand gilt als Geburtsjahr der modernen LGBTIQ-Bewegung. Am 28. Juni 1969 kam es in Folge einer polizeilichen Razzia in der Szene-Bar Stonewall an der Christopher Street in New York zu tagelangen Unruhen und gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen LGBTIQ und den Polizeikräften. Dieser Aufstand wird bis heute jährlich mit dem Christopher Street Day gefeiert.
In den 60- und 70er Jahren galten Homo- oder Transsexualität noch als Krankheiten, waren gesellschaftlich geächtet und insbesondere die Sittenpolizei setzte allen Menschen zu, die nicht der sexuellen Norm entsprachen. In der LGBTIQ-Geschichte gilt Stonewall als Wendepunkt: Während die Bewegung zuvor insbesondere Entkriminalisierung und Toleranz gefordert hatte, kämpfte sie nach Stonewall mit einem neuen Selbstbewusstsein erhobenen Hauptes für gleichwertige Anerkennung und Gleichberechtigung.
Laut Daniel Frey von hab queer bern (ehemals: Homosexuelle Arbeitsgruppen Bern HAB) verhält es sich bei Stonewall indes wie bei vielen anderen historischen Ereignissen: Mit der Zeit verblassen die Erinnerungen und ranken die Legenden. Sprich, mit der Glorifizierung von Stonewall durch die Schwulenbewegung sei lange Zeit vergessen gegangen, dass damals 1969 nicht vor allem weisse, schwule Cis-Männer den Aufstand probten, sondern insbesondere Transmenschen und people of colour. Menschen also, die aufgrund ihrer äusserlichen Erscheinung und aufgrund ihrer sexuellen Orientierung unter Mehrfach-Diskriminierungen litten.
Für die Entstehung der hiesigen, modernen LGBTIQ-Bewegung war Stonewall von geringer Bedeutung. Ausschlaggebend war hierzulande vielmehr der im Jahre 1971 erschienene Film von Regisseur Rosa von Praunheim: Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt. Ziel des Films war bewusst nicht die Aufklärung der Gesellschaft, sondern die Mobilisierung der LGBTIQ, gegen ihre Unterdrückung aufzubegehren – nicht nur gegen die rigiden gesellschaftlichen Normen, sondern ganz im Sinne der 68er Bewegung auch gegen die Konsumgesellschaft.
In der Folge entstanden in der Schweiz diverse Organisationen, unter ihnen auch die Homosexuellen Arbeitsgruppen Bern hab. Bereits in den Anfangszeiten gehörte die Zerstörung der Schwulenkartei der Berner Polizei zu ihren zentralsten Forderungen. Doch erst mit dem berühmt-berüchtigten Fichenskandal im Jahre 1990 wurde die Kartei schliesslich definitiv gelöscht.