«Warum warst du so spät noch draussen?» oder «Was für Kleider hast du getragen?» – Wenn eine Person sexualisierte Gewalt erlebt, muss sie sich oft rechtfertigen oder wird sogar von Behörden mitschuldig gemacht.
Erst gerade vor einer Woche wurde ein Fall publik, über welchen das Amtsgericht Olten-Gösgen urteilte. Laut Gerichtspräsident gäbe es keine Zweifel, dass eine Vergewaltigung vorliege, doch sei die 17-Jährige nur «milde» vergewaltigt worden. Dies obwohl sich der Täter nur lückenhaft an das Geschehene erinnern kann.
Um das Tabu sexualisierte Gewalt in den Fokus zu rücken, widmet sich die Kampagne 16 Tage gegen Gewalt an Frauen heuer diesem Thema. «Sexualisierte Gewalt ist in der Schweiz weit verbreitet. Laut einer gfs-Studie von 2019 ist mindestens jede zweite Frau von sexualisierter Gewalt betroffen: Von verbaler sexueller Belästigung über unerwünschte Berührungen bis hin zu massiven physischen Übergriffen und Vergewaltigungen», so Anna-Béatrice Schmaltz von der Kampagne. Sexualisierte Gewalt beginne dort, wo sich eine Person unwohl fühle, betont sie. Ob der Vorfall dann auch strafrechtlich relevant sei, liege im Ermessen der Behörden.
Die Kampagne «16 Tage gegen Gewalt an Frauen» verweist unter anderem auf die Istanbul Konvention, welche die Schweiz 2018 in Kraft setzte. Dieses «Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt» sei ein sehr gutes Instrument, doch noch hapere es bei der Umsetzung, kritisiert Anna-Béatrice Schmaltz. So würden der Schweiz immer noch genügend Schutzunterkünfte fehlen und auch in der Prävention gäbe es noch Luft nach oben. «Der Bund müsste mindestens einmal pro Jahr eine grossangelegte Kampagne gegen Gewalt machen», fordert sie. «Wir geben beispielsweise für das Militär so viel Geld aus, dort geht es ja auch um Sicherheit. Aber für die Sicherheit von Frauen wird noch viel zu wenig Geld ausgegeben, das scheint dem Staat viel weniger Wert zu sein.»
Die Kampagne «16 Tage gegen Gewalt an Frauen» läuft noch bis zum Tag der Menschenrechte am 10. Dezember. Alleine in Bern finden rund 20 Veranstaltungen statt. Genaueres dazu gibt’s hier.