Mindestens 600 Menschen starben seit anfangs Jahr auf der Flucht über das Mittelmeer – ein neuer, trauriger Rekord seit dem Jahr 2017. Den Grund dafür verorten Seenotrettungsorganisationen und Nichtregierungsorganisationen insbesondere in der umstrittenen Zusammenarbeit der EU mit den Ländern südlich des Mittelmeers.
Während sie die enge Zusammenarbeit, Aufrüstung und Ausbildung der libyschen Küstenwache aufgrund von massiven Menschenrechtsverletzungen schon länger kritisieren, fordern sie nun in einem gemeinsamen Appell auch ein sofortiges Ende der Zusammenarbeit mit Tunesien.
In den letzten Monaten seien immer mehr Menschen gezwungen, von Tunesien aus die gefährliche Überfahrt übers Mittelmeer zu wagen, weil sich die Situation im Land massiv verschlechtert habe, sagt Oliver Kulikowski von der Seenotrettungsorganisation Sea Watch. Mit der anhaltenden Transformation des Landes in einen autoritären Staat und der vom tunesischen Präsidenten Kais Saed lancierten Kampagne, habe die Gewalt und Verfolgung von Menschen aus der Subsahara massiv zugenommen. Auch die Repression gegen zivile Organisationen und Oppositionelle in Tunesien habe sich massiv verschärft. Demnach sei das Land aktuell weder ein sicheres Herkunftsland noch ein sicherer Drittstaat.
Neben der Aufkündigung der Zusammenarbeit mit Tunesien fordert Sea Watch ein europäisches, staatlich organisiertes, nicht-militärisches Seenotrettungsprogramm. Derzeit nähmen zivile Seenotrettungsorganisationen eine staatliche Aufgabe wahr und würden dabei noch massiv behindert, kritisiert Kulikowski. Weiter fordert Sea Watch sichere Fluchtwege nach Europa, damit Geflüchtete ihr Recht ein Asylgesuch zu stellen, auch wahrnehmen können.