Von
am
1. Juli 2025
Abgesagte Diskussion, laute Stimmen: Die Universität und ihre Verantwortung
Wikimedia
Foto: Wikimedia Worauf warten die Menschen noch, bevor sie handeln? Das fragt Francesca Albanese am gestrigen Podium von Amensty International.

Es sind zwei der renommiertesten Stimmen, wenn es um Menschenrechte in den Palästinensischen Gebieten geht: Die UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese und die Generalsekretärin der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, Agnès Callamard. In einem abgedunkelten Saal direkt bei der Universität Bern debattierten sie gestern Abend über die Menschenrechtssituation in Gaza. Die Hörsäle, in denen internationales Recht und Ethik unterrichtet werden, liegen nur einen Steinwurf entfernt. Doch diese blieben für die beiden Rednerinnen an diesem Abend verschlossen.

Universität Bern zieht Bewilligung zurück

Die Universität hatte die Bewilligung für die Raumnutzung für die Podiumsdiskussion letzten Freitag zurückgezogen. Man sei zwar entsetzt über die humanitäre Lage in Gaza, so die Universität. Bei der Veranstaltung könne jedoch die Ausgewogenheit nicht sichergestellt werden. Die Absage der Veranstaltung sei ein Weg gewesen, um die Debatte nicht führen zu müssen, sagte Francesca Albanese. «Das widerspricht dem eigentlichen Zweck einer Universität. Es ist wirklich beschämend.»

«Die Universität Bern hat sich von der akademischen Freiheit abgewendet»
Agnès Callamard, Generalsekretärin Amensty International

Die Universität Bern habe wohl erwartet, dass der israelischen Regierungsposition mehr Platz gegeben werde, meinte Amnesty International, die Organisatorin des Abends. Das sei empörend, so die Generalsekretärin der Organisation, Agnes Callamard. «Ich bin immer wieder überrascht, wenn sich eine Universität von den grundlegenden Prinzipien abwendet, die eigentlich im Zentrum ihrer Aufgabe stehen sollten. Und genau das hat die Universität Bern getan. Sie hat sich von der akademischen Freiheit abgewendet.»

Das siehtdie Universität Bern anders: Eine vertiefte Recherche habe gezeigt, dass Francesca Albanese sich nicht nur kritisch, sondern wiederholt in einseitiger und extremer Weise im Nahostkonflikt positioniert habe. Als Quelle führte die Universität Tweets von Albanese an, teils aus dem Jahr 2014.

Albanese nutzte denn auch das Podium, um die Universitäten an ihre Verantwortung zu erinnern. Der Inhalt der Veranstaltung war dabei wenig überraschend: Die Sprecherinnen warnten vor einem Genozid in Gaza, bezeichneten Israel als Apartheidstaat, beklagten die Siedlergewalt im Westjordanland sowie die Untätigkeit und Komplizenschaft des Westens. Die Aussagen basierten auf Berichten von Amnesty und von den Vereinten Nationen der letzten Jahre.

«Worauf warten die Menschen noch, bevor sie handeln?»
Francesca Albanese UN-Sonderberichterstatterin für die besetzten Gebiete Palästinas

Es waren Positionen, die Albanese und Callamard in etlichen Medien bereits dargelegt hatten. Als die Moderatorin Humeyra Rabab fragte, wie es sich anfühle, zum x-ten Mal dieselben Fragen zu beantworten, stiegen Agnès Callamard vor Wut Tränen in die Augen. Es mache sie wütend, seit Monaten immer wieder die gleiche Geschichte erzählen zu müssen. Francesca Albanese betonte, es sei notwendig, diese Diskussionen zu führen. Man trage eine moralische und juristische Verpflichtung, einen weiteren Genozid in der Geschichte der Menschheit zu stoppen. «Welche weiteren Verbrechen müssen noch gegen die Bevölkerung Gazas begangen werden, damit die Mitgliedstaaten ihrer Verpflichtung nachkommen, dieses Massaker zu stoppen? Worauf warten die Menschen noch, bevor sie handeln?»

Solidaritätsbekundung von Angehörigen der Universität

Im Raum sassen Personen, die sich dasselbe fragten. Eine Studentin erzählte von den Protesten und der Repression an der ETH Zürich. Ein Dozent einer Schweizer Hochschule meldete sich zu Wort und verlas eine Stellungnahme von Angehörigen der Universität Bern: Diese wollten anonym bleiben, zeigten sich aber enttäuscht und schockiert über das Verhalten ihrer Universität. Man befürchte eine Normalisierung des anhaltenden Genozids in Gaza. Die Universität Bern hatte dazu bis Redaktionsschluss keine Stellung bezogen, kündigte aber eine Veranstaltungsreihe zum Thema ab Herbst an.

«Die Mehrheit der Menschen will einen Waffenstillstand. Sie will, dass Israel für seine Verbrechen an den Palästinenser*innen zur Rechenschaft gezogen wird.»
Agnès Callamard Generalsekretärin Amnesty International

Die kurzfristige Absage der Universität war wohl die beste Werbung für die Veranstaltung: Der Saal war gestern rappelvoll, vierhundert Personen lauschten gebannt den Rednerinnen. Am Ende stand das Publikum unter tosendem Applaus auf, jubelte und dankte. In diesem Engagement sah Agnes Callamard viel Hoffnung: «Die Mehrheit der Menschen will einen Waffenstillstand. Sie will, dass Israel für seine Verbrechen an den Palästinenser*innen zur Rechenschaft gezogen wird.»

00:00
00:00
Herunterladen
Teilen
Rabe
Radio Bern: RaBe Sulgenrain 28, 3007 Bern,
rabe@rabe.ch
Studio:
031 330 99 99
,
studio@rabe.ch