Die Nachricht kam am Dienstag ziemlich überraschend: Die Reitschule kommt nicht wie Geplant aus der Winterpause, sondern stellt ihren Betreib für zwei Wochen ein. Als Grund nennt das selbstverwaltete Kulturzentrum die prekäre Situation auf dem Vorplatz und der Schützenmatte.
Die Probleme auf dem Vorplatz und auf der Schützenmatte waren in den vergangenen Monaten immer mal wieder Thema. In den Kollektiven, unter den Besucher*innen der Reitschule, in der Politik und in den Medien.
Wer mit jenen sprach, die vom Alltag auf dem Platz direkt betroffen sind, merkte schnell: Das Thema ist äusserst komplex. Und: Die zugrunde liegenden Probleme sind weitaus Grösser als der Vorplatz und die Reitschule. Deshalb liegen Lösungsansätze nicht gerade auf der Hand. Dementsprechend war ab und an auch eine gewisse Ohnmacht auszumachen.
Dieser Ohnmacht stellt die Reitschule nun einen drastischen Schritt entgegen: Sie schliesst ihre Türen vorübergehend während zwei Wochen.
In der entsprechenden Medienmitteilung schreibt die Mediengruppe von Gewalt, die in den letzten Wochen massiv eskaliert sei: «Wenn sich solch gewaltvolle Strukturen auf der Schützenmatte und dem Vorplatz etablieren, können wir unserem Anspruch als emanzipierter Freiraum nicht gerecht werden.»
Das es so weit gekommen ist, beschäftigt auch die Politik. «Der Gemeinderat ist besorgt über die aktuelle Gewaltsituation und es besteht Handlungsbedarf», sagt die Stadtrpräsidentin Marieke Kruit, die das Amt Anfang Jahr übernommen hat. Den Handlungsbedarf will sie gemeinsam mit allen Akteur*innen rund um die Schützenmatte an einem runden Tisch angehen.
Die Stadt Bern sei in den letzten Monaten jedoch nicht untätig gewesen, betont die Stadtpräsidentin. Dazu zählt Kruit Massnahmen auf wie die Zusammenarbeit mit einer Sicherheitsfirma, ein Schutzmobil, eine verbesserte Beleuchtung sowie Belebungen. Solche Massnahmen gehen für die Reitschüler*innen das Problem allerdings zu wenig an der Wurzel an. So heisst es in ihrer Medienmitteilung:
«Die gesellschaftlichen Widersprüche der herrschenden Politik manifestieren sich seit Jahren vor unserer Tür: Eine repressive Asylpolitik, eine gescheiterte Drogenpolitik und der systematische Abbau sozialer Infrastruktur haben zu einer unhaltbaren Situation geführt. Konkret zeigt sich dies in Deal, Bandenkrieg, Perspektivenlosigkeit sowie psychischem und sozialem Elend.»
Um diesen Auswirkungen zu begegnen formulierte eine Vernetzungsgruppe verschiedener Akteur*innen Anfang Dezember einen Forderungskatalog. Der Gemeinderat habe sich bereits mit diesen Forderungen auseinandergesetzt und der Vernetzungsgruppe geantwortet, sagt Marieke Kruit. Bei konkreten Lösungsansätzen müsse jedoch der Handlungsspielraum der Stadtpolitik immer einberechnet werden, gibt die Stadtpräsidentin zu bedenken. So finde die Asylpolitik etwa auf Nationaler Ebene statt. «Dennoch ist es wichtig, dass wir schauen, wo die Stadt lindernd eingreifen kann», ergänzt Kruit. Dies könne die Stadt etwa bei Schlafplätzen für Obdachlose.
Die Reitschüler*innen wollen sich in den kommenden zwei Wochen Zeit nehmen, um Ressourcen zu sammeln und an möglichen Perspektiven zu arbeiten. Ihr Tor öffnet die Reitschule am 22. Januar wieder.