RaBe-Info
Von
Sarah Heinzmann
am
10. März 2025
Café Toujours: Ein Freiraum vor dem Abriss
David Fürst, Journal B
Foto: David Fürst, Journal B Wollen die Entwicklungen nicht einfach hinnehmen: Die Bewohnenden vom Café Toujours.

Dem Café Toujours an der Freiburgstrasse in Bern droht der Abriss: Der Eigentümer, die Bauunternehmung Marti AG, will das Gebäude abreissen, um Platz für eine Überbauung zu schaffen. Ein Besuch vor Ort.

Als wir im Café Toujours eintreffen, riecht es nach Eintopf vom Mittagessen und Kaffee. Draussen ist es kalt. In der Mitte des Wohnzimmers brennt im Kamin ein Feuer, einige der Fenster sind von innen beschlagen. Sonnenlicht durchströmt den grossen Raum. Heute ist es wuselig im besetzten Haus: Pflanzen werden umgetopft, Möbel verschoben, der Garten gepflegt.

Bei der Hausführung knarren die alten Treppen und Holzböden. Die oberen Stockwerke bieten Wohnraum für die rund zehn Bewohnenden und im Keller gibt es einen Klub. Hier werden ab und an Feste gefeiert. Ein gepflegter und gehegter Wildwuchs aus Sträuchern und Bäumen räkelt sich um das Haus. Im Garten wurde ein Biotop angelegt, rundherum wurden aufwendige Konstruktionen aus Holz errichtet, auf denen man herumklettern kann. Leute vom Quartier würden diesen Garten rege mitnutzen, so Marco vom Café Toujours: «Kinder spielen auf dem Trampolin, Leute kommen hierher, um sich auszuruhen.»  

Mit dieser Ruhe könnte es bald zu Ende sein. Das Haus gehört dem Bauunternehmen Marti AG mit Sitz in Moosseedorf. Diese wollen das Haus in den kommenden Monaten abreissen, um die Fläche für eine Hochhausbebauung vorzubereiten. Die Besetzer:innen kritisieren das Vorhaben. Laut einer Planungsvereinbarung der Stadt Bern mit der Marti AG ist der eigentliche Baustart ist erst für 2029 geplant. Bis dahin will die Marti AG eine temporäre Gartennutzung kreieren, die für das Quartier offen ist. Die Räumung vier Jahre vor Baubeginn sei ein Abriss auf Vorrat, so Christo vom Toujours.  Auch die Gartenzwischennutzung ist ihm ein Dorn im Auge. «Wir haben hier bereits einen Garten, den wir seit Jahren pflegen», sagt Christo vom Toujours.

Die Besetzer:innen haben die Marti AG gebeten, das Abrissdatum nach hinten zu schieben. Auf den Vorschlag hätten die Besetzer:innen keine Rückmeldung erhalten, und auch auf eine Anfrage von Radio RaBe und Journal B hat die Marti AG nicht reagiert. Dabei stehen die Pläne für das Hochhaus noch gar nicht. Erst diesen Frühling soll erst der Architekturwettbewerb für das Hochhaus beginnen. Das zeigen Dokumente, die die Marti AG dem Café Toujours zukommen liess und unseren Redaktionen vorliegen.

«Das Café Toujours ist nicht nur eine Wohnung, sondern ein Projekt»
Anna Bewohnerin des Café Toujours

 Im Amtsblatt der Stadt Bern ist indess ein Baugesuch eingereicht für den Abriss des Hauses. Gibt es bis Anfang April keine Einsprachen, so wird das Haus abgerissen. Für Anna eine unangenehme Vorstellung: «Das Café Toujours ist nicht nur eine Wohnung, sondern ein Projekt.» Im Toujours würden Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen zusammenkommen, um an einer alternativen Lebensweise zu arbeiten, so Christo.  Diese Freiräume seien rar in der Stadt: «Hier ist noch so eine letzte Insel für gewisse Utopien.» Das Café Toujours ist seit 2016 besetzt. Zu Beginn war das Toujours ein offenes Projekt. Mittlerweile ist es ruhiger geworden. Das Toujours ist eine Wohnbesetzung, ab und an gibt es kleinere Veranstaltungen. Für eine Stadt seien solche Freiräume aber wichtig, weil diese hinterfragen, wie die Gesellschaft aufgebaut ist, so Christo. «Wir inspirieren Leute zu Ideen, die sie sonst wo nicht finden.»

«Wir sorgen dafür, dass diese Entwicklungen nicht einfach hingenommen werden»
Fabian Bewohner des Café Toujours

 Die geplante Räumung reiht sich in eine größere Entwicklung ein: Das Berner Quartier Ausserholligen rund um den Europaplatz soll in den nächsten Jahren massiv aufgewertet werden. Private und öffentliche Bauprojekte in Milliardenhöhe sind geplant. Für alternative Projekte wie das Café Toujours wird es eng. Das Toujours sei Sand im Getriebe der Stadtaufwertung, so Manuel: «Wir sind unbequem! Wir sorgen dafür, dass diese Entwicklungen nicht einfach hingenommen werden.»

«Solche Orte sind wichtig für eine Stadt, weil sie andere Lebensentwürfe ermöglichen»
Christo Bewohner des Café Toujours

Das Café Toujours ist nicht der einzige bedrohte Freiraum in der Stadt Bern. Auch die Bewohner:innen des Wagenplatzes Anstadt muss in Zukunft wohl einer Überbauung auf dem Gaswerkareal weichen. Die Aktivist:innen sind untereinander in Kontakt, um sich gegen die Verdrängung alternativer Freiräume zu wehren. «Solche Orte sind wichtig für eine Stadt, weil sie andere Lebensentwürfe ermöglichen», so Christo vom Café Toujours. Am kommenden Samstag wird zu einer gemeinsamen Demonstration aufgerufen, um ein Zeichen für den Erhalt solcher Freiräume in Bern zu setzen.

Ob das Café Toujours eine Zukunft hat, bleibt ungewiss. Doch für die Menschen, die es beleben, ist klar: Sie werden um ihren Freiraum kämpfen.




Text: Sarah Heinzmann und David Fürst

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