Das Radio Al Hara ist ein Kind der Pandemie. Vor fünf Jahren startete die Welt in den ersten Lockdown, und in Bethlehem im Westjordanland startete das Internetradio Al Hara. Die Idee von Al Hara habe es schon lange gegeben, so Mitgründer Saeed Abu Jaber. Die Leute hinter dem Radio seien vielbeschäftigte Köpfe: Designer, Architekten, Grafiker. Erst im Lockdown hätten sie Zeit gehabt, Al Hara in die Tat umzusetzen.
Al Hara heisst Nachbarschaft. Der Name ist Programm: Al Hara sendet in erster Linie aus Bethlemen, hat aber auch Ableger in Ramallah, Amman oder Beirut. Radio Al Hara wolle eine globale Nachbarschaft kreieren, die mit aber Palästina in Verbindung stehe, so Yousef Anastas, ebenfalls Gründungsmitglied.
Anfänglich wollte man über das Internetradio Musik austauschen. Über einen Dropbox-Link konnten Hörerinnen eigene Playlist einreichen. Aus einem kleinen Internetradio wurde eine globale Institution: Über 30 000 Hörerinnen und Hörer lauschen Al Hara monatlich. DJs aus der ganzen Welt strahlen ihre Sets mittlerweile über Al Hara aus. Der Produzent Nicolas Jaar etwa veröffentlichte ein Album über das Internetradio.
Iranischer Pop und libanesischer Trip-Hop läuft über den Sender. Daneben sendet Al Hara Talks und Audioessays, oft mit Fokus Palästina. Al Hara wird als politisches Radio bezeichnet – das sieht Saeed Abu Jaber anders. Für ihn ist das Radio Alhara nicht per se ein politisches Projekt. «Wir reagieren einfach auf die Umgebung , in der sie seit langer Zeit leben», so Abu Jaber.
In den letzten 15 Monaten, seit Kriegsbeginn, sei das Radio Al Hara für viele zu einem wichtigen Fluchtraum geworden, so Yousef Anastas. Das Radio erlaube es, in Räume abzutauchen, die sich wohliger und freundlicher anfühlen als die politische Realität. «Das Radio erfüllt eine therapeutische Funktion», so Anastas.