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3. September 2025
Musik als Verbundenheit: Svetlana Maraš im Gespräch
Dieter Düvelmeyer
Foto: Dieter Düvelmeyer Verknüpfte Klänge: Heute startet in Bern das Musikfetsival, heuer unter dem Motto «Kette».

Heute startet das Musikfestival Bern – eine zentrale Plattform für die Musikszene in Stadt und Kanton Bern. Jedes Jahr steht eine Komponistin oder ein Komponist besonders im Fokus und wird als «Composer in Residence» eingeladen. In diesem Jahr übernimmt die serbische Komponistin und Klangkünstlerin Svetlana Maraš diese Rolle. Wir haben uns mit ihr getroffen und über ihr künstlerisches Schaffen, ihre Vorstellungen von kollektiver Musikpraxis und ihr Werk Firekeepers gesprochen, das am Festival eröffnet wird.


RaBe Info: Das Festival steht dieses Jahr unter dem Thema Kette – wie passt das Thema zu deiner Arbeit?

Svetlana Maraš: Für mich steht das Gefühl von Verbundenheit im Vordergrund. Eine Kette besteht aus vielen einzelnen, aber miteinander verbundenen Gliedern. Dieses Bild lässt sich sehr gut auf Musik übertragen. Denn genau darin sehe ich wichtige Fragen, die sich mit diesem Ketten-Konzept verknüpfen lassen.

RaBe Info: In der Geschichte der klassischen Musik denkt man oft an das Bild des genialen Einzelkomponisten. Du betonst dagegen die Bedeutung von Zusammenarbeit und gegenseitiger Inspiration. Inwiefern ist das für dich auch eine Infragestellung einer männlich geprägten Perspektive auf klassische Musik?

Svetlana Maraš: Wir sollten eigentlich längst über dieses Bild hinaus sein. Für mich war es ganz selbstverständlich, Musik auf andere Weise zu betrachten. Ich stand immer ein wenig am Rand des konventionellen zeitgenössischen Musikbetriebs, irgendwo zwischen experimenteller und zeitgenössischer Musik. Ich musste nie in bestimmte Schubladen passen oder mich aktiv dagegen wehren – ich habe einfach meinen eigenen Weg verfolgt.
Es ist viel falsch an diesem Ausgangspunkt des genialen weissen, männlichen Komponisten. Das hat viel mit Hierarchien zu tun, die in der Musikgeschichte verankert sind. Ich kenne das sehr gut, weil ich eng mit elektronischen Studios gearbeitet habe und noch immer arbeite. Gerade dort lässt sich nachvollziehen, wie Macht- und Hierarchiestrukturen den Zugang für viele Menschen erschwert oder verhindert haben.

«Ich muss keine Kompromisse eingehen, um mehr Aufmerksamkeit, mehr Anerkennung oder mehr Geld zu bekommen»
Svetlana Maraš Komponistin

RaBe Info: Du komponierst keine Songs im klassischen Sinne, sondern eher Fragmente und Live-Performances. Warum hast du dich dafür entschieden?

Svetlana Maraš: Das hat sich sehr natürlich ergeben. Ich musste mich nie an bestimmte Genres oder Formate anpassen. Zwar erwartet man heute, dass man Aufnahmen veröffentlicht, aber ich hatte nie das Bedürfnis danach. Diese Erwartung kommt stark aus der Musikindustrie, wo man zeitlich begrenzt ist und für ein Album eine bestimmte Anzahl von Stücken liefern muss. Das hat mich nie interessiert. Mir liegt das Live-Format viel mehr. Ich gestalte Performances, die 30 oder 40 Minuten dauern. Das entspricht meiner Vorstellung, und ich muss keine Kompromisse eingehen, um mehr Aufmerksamkeit, mehr Anerkennung oder mehr Geld zu bekommen.

RaBe Info: Wenn wir heute über Musik sprechen, denken die meisten noch immer in Alben, Tracks und Aufnahmen. Was bedeutet es für dich, Teil eines Festivals zu sein, wo Menschen gemeinsam Live-Musik erleben können? Kann das auch die Art verändern, wie Musik heute konsumiert wird?

Svetlana Maraš: Ja, ich glaube schon. Diese Form des gemeinsamen Musikhörens gewinnt wieder an Bedeutung – oder ich hoffe zumindest, dass es so sein wird. Angesichts all der Veränderungen um uns herum ist dieses Miteinander im Produzieren und Erleben von Musik sehr wichtig. Menschen kommen an einem Ort zusammen, teilen eine Erfahrung – ich wünsche mir, dass das wieder stärker in den Vordergrund rückt. Es geht dann nicht um individuellen Konsum, sondern um ein kollektives Erleben.

RaBe Info: Damit schliesst sich auch wieder der Kreis zum Konzept der Kette, oder?

Svetlana Maraš: Genau. Mein Stück für das Ictus- und das Pony Says Ensemble trägt den Titel Firekeepers. Es greift diese Ideen auf.

«Dieses Gleichgewicht ist mir wichtig: einerseits Raum für Interpretation, andererseits eine klare Vorstellung, wie es klingen soll.»
Svetlana Maraš Komponistin

RaBe Info: Dieses Werk eröffnest du am Mittwoch beim Festival. Wie ist es aufgebaut?

Svetlana Maraš: Firekeepers ist ein aleatorisches Stück, das mit Offenheit arbeitet – etwa in der Dauer oder in bestimmten Aspekten, die den Musiker:innen überlassen sind. Andere Teile wiederum sind sehr genau gestaltet. Dieses Gleichgewicht ist mir wichtig: einerseits Raum für Interpretation, andererseits eine klare Vorstellung, wie es klingen soll. Deshalb heisst es auch Firekeepers: Die Musiker:innen sind wie Feuerhüter, die gemeinsam dieses Feuer am Leben halten. Das Stück wird auf drei Bühnen gleichzeitig aufgeführt, was besonders spannend ist. Es geht darum, wie die Musiker:innen zusammen von einer Sektion in die nächste übergehen, wie sie das Feuer weitertragen.

Maraš am Musikfestival Bern

Eine Vielzahl von Maraš’ Werken ist am Musikfestival Bern zu sehen: Die Performance Firekeepers wird heute um 19 Uhr in der Grossen Halle aufgeführt. Maraš tritt morgen Donnerstag im Münster auf, wo sie mit ihren elektronischen Klängen den Kirchenraum erfüllt. Am Freitag spricht sie um 15 Uhr im PROGR über Zusammenarbeit in der Musik. Ihre Installation Matter of Fact ist ebenfalls im PROGR zu sehen.
Das Musikfestival Bern dauert bis Sonntag.

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