Ob Musik, Mode oder Kunst: kein Aspekt der zeitgenössischen Kultur blieb vom Hiphop unberührt. In diesem Podcast werden wir von der RaBe Info Redaktion uns der Geschichte und dem Erbe des Hiphops annehmen. Wir werden Schlaglichter werfen auf die Hiphopkultur, und zwar auf deren vier wichtigsten Elemente: Dem Breaking, dem DJing, dem Graffiti, und dem MCing.
Wir schreiben das Jahr 1973, Hochsommer im New Yorker Stadtteil Bronx: Die aus Jamaika stammende Teenagerin Cindy Campbell hat Geburtstag und will richtig auf den Putz hauen. Sie lädt ihre Freund*innen zu einer riesigen Party ein, ihr Bruder legt unter dem Namen Kool DJ Herc vor allem den damals in der schwarzen Community beliebten Funk auf. Die Partygäste begeistern sich für die «Breaks» in den funkigen Songs; also die rhythmischen Pausen, in denen nur Instrumente, aber keine Stimme zu hören ist. Um diese Breaks zu verlängern, mischt Kool DJ Herc zwei Platten mit dem identischen Song aneinander. So entstehen längere sogenannte «Breakbeats», zu denen getanzt oder über die gerappt wird – Und so ist, zumindest der Legende nach, an einem heissen Augustabend vor fünfzig Jahren in der New Yorker Bronx der Hip-Hop entstanden.
Dabei dürfen aber die sozialen Realitäten der Stadt nicht ausser acht gelassen werden. «Der Bronx steckte in den Siebzigerjahren in einem grossen Wandlungsprozess», erklärt Ana Sobral, die sich als Literaturwissenschaftlerin für die Geschichte des Rap interessiert. New York sollte aufgewertet werden, Hunderttausende Menschen wurden umgesiedelt. «Diese Umsiedlung betraf vor allem Schwarze und People of Color. Diese wurden in die South Bronx umgesiedelt», erklärt Ana Sobral. Das Vorhaben war aber schlecht geplant und abgewickelt. Gemeinschaften, die sich davor in den New Yorker Stadtteilen gebildet hatten, wurden zerstört. Unter diesen schwierigen sozioökonomischen Bedingungen mussten sich die Communitys in der Bronx neu bilden.
Diese Bedingungen spiegeln sich in der neu entstehenden Hip-Hop Kultur wider. Deren unterschiedliche Strömungen nehmen die soziale Prekarität ganz unterschiedlich auf. «Eine Strömung sagt ‚Ich habe sehr wenig, aber ich mache daraus das Beste!’». Ein Beispiel ist Sugarhill Gangs Hit ‚Rappers Delight‘ – ein Song mit einem fröhlichen Text, der vom Feiern erzählt und in dem die Rapper sich selbst zelebrieren. Eine zweite Bewegung schildert im Gegensatz das Leben in den Bronx zur damaligen Zeit. Grandmaster Flash and the Furious Five beschreiben in ihrem Song ‚The Message‘ die herrschende die Armut, Prekarität und Hoffnungslosigkeit.
Mittlerweile ist der Hip-Hop ein globales Phänomen und feiert diesen Monat sein fünfzigjähriges Bestehen. «Der Hip-Hop ist immernoch stark, er wird immer wieder erneuert», so Ana Sobral. «Hip-Hop hat mindestens noch fünfzig Jahre vor sich!».
Über die Globalisierung des Hip-Hop hat Ana Sobral eine Podcastreihe produziert.
«Sexismus ist nicht nur ein Hip-Hop-Problem»
Das Breaking fand als Strassentanz im New York der 1970ger Jahre seinen Anfang, heute hat sich der Tanz zu einer olympischen Disziplin gemausert. Auffallend dabei: Breaking ist eine Männerdomäne. «Es gibt viele Vorstellungen davon, wie eine Frau sich zu bewegen hat und wie nicht» erklärt B Girl Arlette Dellers. «Das ist in der ganzen Gesellschaft so – nicht nur im Breaking». Arlette tanzt seit über zehn Jahren und ist Mitgründerin der Tanzcompany Flux Crew.
Wie DJs aus der Bronx die Musik revolutionierten
DJ Kool Herc war 16 Jahre alt, als er das erste Mal an einer Party seine neue Technik vor Publikum präsentierte: er reihte Ausschnitte aus Soul und Funk-Tracks aneinander, die ohne Lyrics aber mit vielen Perkussionselementen auskamen. Denn die sogenannten Breaks waren oft die Stellen in den Songs, zu denen die Partygänger*innen die Dancefloors stürmten. Mit diesem Kniff verwandelte er sekundenkurze Momente in minutenlange Beats und legte so den Grundstein für eine neue Jugendkultur: Den Hip-Hop.
Kurze Zeit später entwickelte Grandmaster Flash weitere Techniken, die das DJing auf eine neue Ebene hoben: Er war beispielsweise der erste, der Platten rückwärts abspielte und auf ihnen mit Wachsmalstiften seine Lieblingsparts markierte um diese an Partys punktgenau abspielen zu können.
Und Grand Wizard Theodore gilt als Erfinder des Scratchens: Er hielt eine laufende Platte einen kurzen Moment fest, als sich seine Mutter über die Lautstärke seiner Musik beschwerte.
Gut 50 Jahre später hat sich die Kunst des DJings, die mittlerweile auch als Turntablism bekannt ist, in alle Richtungen weiter entwickelt. Es gibt kompetitive Meisterschaften und DJs aus den unterschiedlichsten Genres bedienen sich der Techniken, die auf die Bronxer Pioniere zurückgeht. Die Plattenspielern wurde so zu einem eigenen Instrument, das Auflegen zu einer eigenen Kunstform.
In unserer Serie zu 50 Jahre Hip-Hop werfen wir einen Blick auf die Geschichte des DJing:
MCing: Alma von Etoclit im Gespräch über Rap
Zur Hip-Hop-Kultur gehören die vier zentralen Elemente: Breaking, DJing, Graffiti und MCing. Die Abkürzung MC leitet sich vom Master/Mistress of Ceremonies (Zeremonienmeister*in) ab und Rap ist Teil des MCing. Nicht alle Rapper*innen bezeichnen sich auch als MC, so etwa auch Alma des Berner TINFA-Rap-Kollektivs Etoclit. Im Gespräch erzählt sie, die als Rapperin den Namen Shantey trägt, weshalb sie die Bezeichnung MC nicht für sich in Anspruch nimmt, welche Tracks sie geprägt haben, was sie heute gerne für Rap hört und was ihr am Performen besonders am Herzen liegt.
Etoclit spielt am 9. September 2023 in Langenthal, danach in Winterthur, Basel und Luzern und schliesslich in Bern am 24. November 2023 (Stellwerk) und am 15. Dezember 2023 (Dachstock).
Gehören Graffiti in Museen und Galerien?
Von der Bronx zu einem Milliardenmarkt weltweit. Hip-Hop ist omnipräsent, auch seine bildnerische Ausdrucksform, die Graffiti.
Prähistorische Höhlenmalereien, römische Kritzeleien: Graffiti ist eine kulturelle Praxis, die seit Jahrtausenden existiert. Mit dem Aufkommen des Hip-Hops hat Graffiti aber eine Einbettung in eine Jugendkultur erfahren.
Wir gehen der Frage nach, ob Graffiti auch in ein Museum oder in eine Galerie gehört. Oder bedeutet dies nicht ein Verlust dessen, wofür Graffiti eigentlich steht: Aneignung des öffentlichen Raumes und Subversivität?
Unter anderem mit den Stimmen von Cornbread, Lady Pink, Taki 183 und Hera von Herakut.