Die Fotos vom Amateurboxkampf in der Grossen Halle werden heute einmalig ausgestellt, in der Türkei werden Strafverteidiger*innen manchmal gleich zusammen mit den Angeklagten verurteilt und im Radioblog regt sich der linke Wutbürger Fidel Hässig für einmal nicht über die Rechten auf. Das und mehr gibts im heutigen Info-Podcast zu hören:
Der Underground Fight in der grossen Halle in Bildern
Letzten Herbst hat eine Gruppe junger Männer ein Amateurboxkampf in der Grossen Halle der Reitschule Bern organisiert. Nun gibt es die einmalige Gelegenheit, die Fotos von diesem speziellen Event zu sehen. Im Vorfeld löste der Anlass in der linksalternativen Szene der Stadt Bern eine Diskussion über die Darstellung von Gewalt und über sexistische Muster aus.
Die Kämpfe zogen über tausend Schaulustige an, viele wurden enttäuscht, weil sie wegen Platzmangel nicht mehr eingelassen werden konnten. Heute Abend werden nun Fotografien des Amateurboxkampfes in der Zoo Bar im Berner Lorrainequartier ausgestellt. Die Bilder sind exklusiv, weil nur sechs ausgewählte Fotografen beim Boxevent ihre Kameras benützen durften. Die Handykameras der Besucher*innen wurden am Eingang abgeklebt. Tatsächlich gelangten keine Bilder des Events ins Netz, was in unsere Zeit äusserst untypisch ist. Die Motivation dahinter: Nicht kurzlebige Online-Posts sollen kreiert werden, sondern etwas Einzigartiges. Die Bilder des Boxkampfes werden nun in Heftform verkauft, der Erlös sowie der finanzielle Gewinn aus dem Event in der Grossen Halle werden an eine Person weitergegeben, welche eine hohe Busse bezahlen muss.
Besagte Person wurde letzten Monat bedingt zu eineinhalb Jahren Haft verurteilt und muss für einen extrem hohen Sachschaden aufkommen. Im Strafprozess ging es unter anderem um den Farbanschlag auf die Polizeiwache Waisenhaus in Bern vor vier Jahren. Das Gerichtsverfahren sei politisch motiviert gewesen, die Beweislage kritisch und obwohl bewiesen sei, dass eine grosse Gruppe von Leuten beteiligt war, wurde nur eine Person verurteilt und müsse nun die ganze Strafe alleine tragen. Das sei unrechtmässig, sagen die Organisatoren der Foto-Ausstellung, weshalb man sich solidarisch zeigen wolle.
Schauprozesse gegen Anwälte und Anwältinnen in der Türkei
In einem Schauprozess am 20. März 2019 wurden in der Türkei Haftstrafen zwischen 3 und 19 Jahren verhängt. Bei den Verurteilten handelte es sich um 18 Anwält*innen. Sie alle sind Teil des Vereins progressiver Jurist*innen und haben sich juristisch für politische Gefangene eingesetzt. Genau das wurde ihnen zum Verhängnis. «Die türkische Justiz konstruierte heftige Vorwürfe gegen sie. Sie wurden bezichtigt, Teil einer Terrororganisation zu sein», erzählt Thomas Schmidt, Generalsekretär der Menschenrechtsorganisation European Association of Lawyers for Democracy & World Human Rights.
Dieser Fall ist kein Einzelfall. Mittlerweile sind Dutzende von Fällen dokumentiert, in denen Strafverteidiger*innen plötzlich selber im Visier der Justizbehörden gelandet sind und ins Gefängnis gesteckt wurden. Die türkische Justiz, die mittlerweile weitgehend unter der Kontrolle von Präsident Erdogan steht, geht meist nach ähnlichem Muster vor: Sie wirft den Anwält*innen zum Beispiel vor, sie seien Teil der verbotenen kurdischen Befreiungsbewegung PKK des inhaftierten Politikers Abdullah Öcalan. Und schon hat sie einen Grund, die Jurist*innen wegen Terrorismus zu verurteilen. Dieses Vorgehen der türkischen Justiz richtet sich nicht nur gegen kurdische Anwält*innen, sondern generell gegen Oppositionelle. Anwält*innen von linken Oppositionellen sind ebenso betroffen wie solche, denen eine Nähe zur Gülen-Bewegung vorgeworfen wird, die Erdogan ein Dorn im Auge ist.
Gegen kein anderes Land laufen derzeit so viele Verfahren am europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg wie gegen die Türkei. Doch nach jeder Rüge findet die türkische Justiz einen Weg, diese zu umgehen. Trotzdem mache es Sinn, diesen Druck aufrecht zu erhalten, sagt Thomas Schmidt gegenüber RaBe. Nur so sei eine Rückkehr zu einer demokratischen Justiz in der Türkei möglich.
Am Freitag, 5. April 2019 findet um 17 Uhr auf dem Bahnhofplatz Bern eine bewilligte Protestkundgebung gegen die türkische Justiz statt – organisiert von den Demokratischen Jurist*innen Schweiz.
«I rege mi uf»
Es ist Freitag und somit Zeit für unsere akustische Kolumne. Nach langer Abwesenheit meldet sich der linke Wutbürger Fidel Hässig wieder einmal zu Wort und wie gewohnt, regt er sich ordentlich auf – für einmal allerdings nicht über die SVP, sondern über die Linken mit ihrer «beschissenen neoliberalen Haltung».