Fast ein Viertel der Bevölkerung, rund 2 Millionen Menschen in der Schweiz haben keinen roten Pass, obwohl viele seit Geburt oder zumindest seit Jahrzehnten hier leben und arbeiten. Sie haben die gleichen Pflichten, nicht aber die gleichen Rechte.
Die Totalrevision des Bürgerrechtsgesetzes von 2018 wollte die Einbürgerungsverfahren vereinfachen und schweizweit vereinheitlichen. Gelungen ist dies offensichtlich nicht, wie der neue Fachbericht Einbürgerung – der steinige Weg zum Schweizer Pass der Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht SBAA zeigt.
Seit dem neuen Bürgerrechtsgesetz braucht es einen C-Ausweis, um den roten Pass zu beantragen, während Personen mit B- oder F-Ausweis sich nicht mehr direkt einbürgern lassen können. Vor allem bei anerkannten Flüchtlingen sei diese Grundregel höchst brisant, weil sie gegen die Genfer Flüchtlingskonvention verstosse, so SBAA-Geschäftsleiterin Noémi Weber.
Kritisiert werden im Bericht auch die teils sehr schwammigen Anforderungen an die Bewerber*innen. Laut Gesetz müssen sie die «Werte der Bundesverfassung» respektieren und «mit Schweizer Verhältnissen vertraut sein». Was diese Schweizer Verhältnisse genau sein sollen, sind sich Bund, Kantone und Gemeinden offensichtlich uneinig. Während der Bund betont, aufgrund der hohen Mobilität zwischen den Kantonen müsse die Person mit den Schweizer Verhältnissen vertraut sein, verlangen viele Gemeinden sehr detailliertes, lokales Wissen.
Obwohl kaum 3 Jahre alt, sei das Schweizer Bürgerrecht nicht mehr zeitgemäss, betont Noémi Weber. Wissenschaftlich sei mittlerweile hinreichend belegt, dass die Einbürgerung als Katalysator einer erfolgreichen Integration wirke und es somit nicht zielführend sei, den Pass weiterhin als Belohnung für eine abgeschlossene, erfolgreiche Integration anzusehen.
Ein modernes Bürgerrecht tue not, wozu eine erleichterte Einbürgerung der zweiten Generation ebenso gehöre wie ein «ius soli» (wer in der Schweiz geboren ist, erhält direkt das Bürgerrecht). Ob solche Forderungen im Parlament eine Chance haben, wird sich weisen. Aktuell sind einige Motionen hängig, die den Zugang zum Bürgerrecht wesentlich vereinfachen wollen.