Lieber kleine Schritte, als ein Grundsatzentscheid zugunsten des Einwanderungslandes Schweiz. Der Ständerat will keinen Systemwechsel beim Bürgerrecht. Er verwarf die Forderung von SP-Ständerat Paul Rechsteiner nach einem jus soli, sprich dass alle Personen, die in der Schweiz geboren werden, automatisch den roten Pass erhalten.
Angesichts der politischen Kräfteverhältnisse im Parlament, mutet die Motion von Rechsteiner schon fast revolutionär an. Er selber sagte gestern, er mute dem Rat mit seiner Motion einiges zu. Doch müsse man das Bürgerrecht den heutigen Realitäten anpassen. Dazu gehöre, dass die Schweiz bereits seit vielen Jahrzehnten ein Einwanderungsland sei, und es damit auch zu einem beachtlichen Wohlstand gebracht habe. Ebenso gehöre zu den heutigen Realitäten, dass die Schweiz über 25% ihrer Bevölkerung, sprich jede vierte Person von jeglicher politischer Teilhabe ausschliesse.
Genau das aber hat der Ständerat gestern erneut bekräftigt. Heidi Zgraggen, Ständerätin der Mitte-Partei betonte, die Motion bedeute eine fundamentale Abkehr von der bisherigen Schweizer Tradition. Dazu gehörten nicht nur die im internationalen Vergleich sehr hohen Hürden für Einbürgerungswillige, sondern auch das föderale System, indem Bund, Kantone, und vor allem die Gemeinden über eine Einbürgerung entscheiden.
Mehr Erfolg hatte die Grüne Ständerätin Lisa Mazzone, deren Vorstoss diskussionslos an die zuständige Kommission überwiesen wurde. Diese soll prüfen, ob sich künftig nicht mehr nur Ausländer*innen der dritten Generation schneller und unkomplizierter einbürgern lassen können, sondern auch Secondos und Secondas von einer erleichterten Einbürgerung profitieren könnten.
FDP-Ständerat Andrea Caroni begründete seine Zustimmung damit, dass beide Motionen gewichtige Fragen aufwerfen würden und es 17 Jahre nach der letzten Debatte nun an der Zeit sei, die Einbürgerungskriterien von Secondos und Secondas erneut anzuschauen. Ob er den Forderungen der Motion dann im Rat zustimme, liess er jedoch offen.
Erwartungsgemäss plädierte der Ständerat also dafür, die Politik der kleinen Schrittchen weiterzuführen, während der Anteil der Menschen ohne Schweizer Pass und somit auch ohne politisches Mitspracherecht, kontinuierlich steigt. Nach dem Entscheid kündigte der Verein «Aktion Dreiviertel» an, eine entsprechende Initiative zu lancieren.