Bis 2017 hatte die deutsche Organisation Jugend rettet mit ihrem Schiff, der «Iuventa» gemäss eigenen Angaben 14 000 Menschen vor dem Ertrinken gerettet.
Nun drohen den Seenotretter*innen im so genannten «Iuventa-Prozess» auf Sizilien bis zu 20 Jahre Haft und hohe Geldstrafen. Vor Gericht in Trapani stehen 21 Seenotretter*innen, 2 Nichtregierungsorganisationen und eine italienische Reederei. Es ist das bisher grösste Verfahren gegen Seenotretter*innen.
Die italienische Staatsanwaltschaft wirft der Iuventa-Crew Beihilfe zur unerlaubten Einreise nach Italien vor. Im Rahmen von zwei Seenotrettungen in den Jahren 2016 und 2017 habe die Iuventa mit lybischen Schleppern zusammengearbeitet. Gemäss diversen Medienberichten basieren die vermeintlichen Beweise der Anklage grösstenteils auf umstrittenen Ermittlungsmethoden, wie das Einschleusen verdeckter Ermittler oder das Abhören von Anwält*innen und Journalist*innen.
Am Samstag, 21. Mai 2022 fand in Trapani nun die erste Vorverhandlung statt. In diesem Vorverfahren entscheidet ein Einzelrichter, ob die Anklage genügend begründet ist, um es zu einem Prozess kommen zu lassen.
Vor Ort in Trapani war auch die Berner Menschenrechtsanwältin Annina Mullis, als Prozessbeobachterin der Demokratischen Jurist*innen Schweiz und der Europäische Vereinigung von Jurist*innen für Demokratie und Menschenrechte, in Zusammenarbeit mit dem European Center for Constiutional & Human Rights. Aufgrund einer Intervention der italienischen Staatsanwaltschaft konnten die angereisten Prozessbeobachter*innen der Verhandlung indes nicht beiwohnen. Mullis erachtet dies als fragwürdig, weil der Grund, dass Vorverhandlungen in der Regel nicht öffentlich zugänglich seien, liege im Schutz der Angeklagten. Im vorliegenden Fall hätten jedoch gerade die Angeklagten der Prozessbeobachtung explizit zugestimmt.
Gemäss den Prozessbeobachter*innen ist das Iuventa-Verfahren klar politisch motiviert. Annina Mullis bezeichnet es als «Instrumentalisierung des Strafrechts im Rahmen der europäischen Abschottung», mit dem Ziel, durch die Kriminalisierung von Seenotrettungen Migration und Flucht nach Europa zu verunmöglichen.
Solche Verfahren kosten Menschenleben, kritisiert die Iuventa-Crew gegenüber den Medien, weil sie enorme Ressourcen, Energien und finanzielle Mittel verschlingen. Kommt hinzu, dass die «Iuventa» 2017 im Rahmen der Ermittlungen konfisziert wurde und somit keine Menschenleben mehr retten kann, so Mullis. Stattdessen roste sie im Hafen von Trapani vor sich hin.