In ihrem neuen Dokumentarfilm «Une Histoire à Soi» (2021) thematisiert die französische Regisseurin und Aktivistin Amandine Gay die Auswirkungen einer Adoption auf die Leben von adoptierten Menschen. Auf politischer Ebene ist es ihr wichtig zu zeigen, dass eine Adoption Auswirkungen auf die ganzen Leben von Adoptierten hat und nicht nur die Kindheit betrifft.
In ihrem Film lässt Gay fünf Protagonist*innen zu Wort kommen, die alle einen transnationalen Adoptionsprozess erlebt haben. Diese Protagonist*innen unterscheiden sich in Geschlecht, Alter und Herkunft. Ein zentraler Punkt für die Auswahl war das vorhandene Archivmaterial: Fotos und Videoaufnahmen aus Kindheit, Jugend und Erwachsenenleben. Denn der Film besteht ausschliesslich aus solchem Material, die Protagonist*innen sind nur durch ihre kommentierende Stimme aus dem Off zu hören.
Strukturiert werden diese fünf Geschichten durch weitere Archivbilder aus Fernsehen und Online-Medien. Da sind beispielsweise Ausschnitte eine Fernsehreportage aus einem Waisenhaus in Genf zu sehen oder Online-Artikel über die illegalen Adoptionen aus Sri Lanka in der Schweiz, zwischen den 1970er- und 90er-Jahren.
Amandine Gay war es wichtig aufzuzeigen, wie Adoption durch die Medien präsentiert wurde und wie adoptierte Kinder darin beschrieben wurden. Gleichzeitig soll der Einbezug dieser Medien auch eine weitere Dimension sichtbar machen: Wie sich das politische Geschehen, wie es durch die Medien gezeigt wurde, in den Leben der Adoptierten ausgewirkt hat.
Obwohl die Protagonist*innen sehr unterschiedlich sind, verbinden sie viele Erfahrungen. Zum Beispiel die Frage nach der Familie: Was ist eine Familie? Wie wird Familie hergestellt? Können mehrere Familien neben- und miteinander existieren? Der Film thematisiert grundsätzliche und sehr aktuelle Fragen, die auch andere Minderheiten betreffen. Zum Beispiel queere Familien, in denen die biologische Verwandtschaft keine oder nur eine geringe Rolle spielt. Und die oft verletzende Reaktion der Mainstream-Gesellschaft, wenn die eigene Familie aus diesem Grund nicht als richtige, wahre Familie angesehen wird.
Der Dokumentarfilm über transnationale Adoptionen in Frankreich zeigt eindrücklich auf, mit welchen lebenslangen Schwierigkeiten adoptierte Menschen konfrontiert sind: Entwurzelung, die Frage nach Herkunft und Familie, der damit verbundene Rassismus, koloniale und paternalistische Vorstellungen von «einem Kind ein besseres Leben schenken» und auch geopolitische Ungleichheiten, die zu unfreiwilligen Adoptionen und Kinderhandel führen können.
Die Vorpremiere von «Une Histoire à Soi » ist am 1. Februar 2022 um 20 Uhr im Kino in der Reitschule zu sehen. Die Regisseurin Amandine Gay ist anwesend.