Asylsuchende mit guten Chancen auf ein Bleiberecht in der Schweiz warten oft jahrelang auf den Entscheid. Das sei rechtswidrig, stellen verschiedene Organisationen fest. Und: Bern virtuell und digital – Geoinformation Stadt Bern tut viel mehr, als nur in orangen Westen die Stadt zu vermessen. Dies und mehr gibts im heutigen Info-Podcast zu hören:
Warten, warten, warten
11 Nichtregierungsorganisationen und über 30 im Asylrecht tätige Anwält*innen wandten sich Ende letztes Jahr ans Staatssekretariat für Migration SEM. Grund war, dass sie bei ihrer täglichen Arbeit festgestellt hatten, dass Asylsuchende mit guten Chancen auf ein Bleiberecht in der Schweiz oft jahrelang warten müssen, bis sie vom SEM Bescheid erhalten, ob sie bleiben können oder nicht. Das SEM begründete dies damit, dass sie vom Gesetzgeber den Auftrag erhielten, eine Behandlungsstrategie zu erarbeiten und gemässe dieser Strategie Gesuche mit geringen Chancen prioritär behandeln würden. Über Dublin-Gesuche oder Asylgesuche aus dem Maghreb, Westafrika oder dem Balkan wird somit innert 48 Stunden entschieden.
Weil auch das SEM nur begrenzt Kapazitäten hat, werden die gut begründeten, aussichtsreichen Gesuche somit auf die lange Bank geschoben. Ende November 2018 zählte das SEM über 12 000 unbehandelte Asylgesuche, die teilweise bis 4 Jahre zurückreichen. Für die betroffenen Asylsuchenden bedeutet dies eine enorme psychische Belastung. Gemäss den Bestimmungen der Berner Asylsozialhilfe müssen sie in den Asylzentren wohnen bleiben, können nur einen einzigen Deutschkurs besuchen, was faktisch ein Arbeitsverbot nach sich zieht. Auch ist ohne Asylentscheid kein Familiennachzug möglich.
Asylsuchende so lange warten zu lassen, sei nicht nur unmenschlich, sondern rechtswidrig, ist Laura Rossi, Anwältin und Vorstandsmitglied der Demokratischen JuristIinnen Bern überzeugt, weil gemäss Bundesverfassung jede Person das Recht hat, dass die Gerichte die Fälle innert einer angemessenen Frist behandelt.
Die Fälle aufgrund von Personalmangel oder Abklärungsschwierigkeiten auf die lange Bank zu schieben, verletze dieses Grundrecht, wie sie kürzlich in einem Artikel auf humanrights.ch ausführte. Dass sich diese Praxis mit den seit dem 1. März 2019 in Kraft getretenen, neuen, beschleunigten Asylverfahren in den Bundeszentren ändern wird, bezweifelt Laura Rossi, weil profunde Abklärungen fast immer länger als die prognostizierten 140 Tage dauerten.
Digitale Vermessung bei Geoinformation Stadt Bern
Geoinformation Stadt Bern öffnet am 10. Mai 2019 ihre Türen für die Öffentlichkeit. Seit dem 1. Mai heisst das ehemalige Vermessungsamt «Geoinformation Stadt Bern». Der etwas altmodische Namen musste weichen, weil das Amt heute weit mehr tut, als bloss zu vermessen.
Geoinformation ist zwar immer noch zuständig, die Stadt zu vermessen, doch durch die Digitalisierung sind zahlreiche andere Aufgaben auf das Amt zugekommen. Die gemessenen Geo-Daten werden verarbeitet und verwaltet, so dass sie anschliessend an Kund*innen weitergegeben werden können. Einerseits erhält die ganze Welt via Internet Zugang zu den Daten: die interaktive Karte der Stadt Bern erlaubt, verschiedene Bedürfnisse zu verknüpfen oder besondere Ansichten der Stadt zu erhalten. Zum Beispiel kann bestimmt werden, was für ein Baum vor einem bestimmten Haus steht, oder wo die nächste Abfallentsorgungstelle ist. Andererseits versorgt die Geoinformation Geschäftskund*innen mit wichtigen Daten. Dazu gehören städtische Betriebe wie die EWB oder Grundstückbesitzer*innen, die genaue und topaktuelle Pläne für ein Bauprojekt brauchen.
Geoinformation Stadt Bern ist auch eingebunden in nationale und kantonale Stellen, die mit Geo-Daten arbeiten. In Zeiten von «Google Maps» und anderen mobilen Anwendungen, über die Konsument*innen leicht und anschaulich zu Geo-Daten kommen, stellt sich die Frage, ob es überhaupt noch staatliche Stellen wie Geoinformation Stadt Bern braucht. «Obwohl ich selber auch Google-Maps brauche, ist unser Amt sehr wichtig», sagt die Leiterin von Geoinformation, die Stadtgeometerin Christine Früh, gegenüber RaBe: «Wir sind immer aktuell und haben keine Möglichkeiten, Google und Co. dazu zu bringen, unsere aktuellen Daten zu übernehmen. Ausserdem fehlen bei Google Maps viele lokale Informationen, zum Beispiel unseren Zugang zum städtischen Baumkataster, dank dem wir jeden Baum auf dem Berner Stadtplan bestimmen können.» Hinzu kommt, dass Geoinformation kein kommerzieller Betrieb ist und den Datenschutz sehr ernst nimmt: Persönliche Daten werden nur auf Wunsch der Betroffenen mit Geo-Daten verknüpft.
In Zukunft will Geoinformation auch mit neuen Technologien arbeiten – «Augmented Reality» oder «Virtual Reality» werden neue Darstellungsformen von Geo-Daten ermöglichen. «Wir haben bereits erste Schritte in virtuelle Welten gemacht», sagt Christine Früh gegenüber RaBe. Für die Vermessung wird zum Beispiel mit einem Gerät gearbeitet, das Anhand einer mehrere Minuten dauernden Aufnahme von der Vorderseite eines Objektes, eine dreidimensionale Darstellung des Objekts ermöglicht (siehe Bilder). Damit Berner Stadtansichten für AR- oder VR-Projekte genutzt werden kann, bietet Geoinformation Hilfe an und liefert wichtige Geo-Daten an Programmierer*innen, die neue Apps entwickeln wollen. So könnte die Stadt Bern bald auch zur virtuellen Erlebniswelt werden.
Gespräch mit Stadtgeometerin Christine Früh über die Umbennenung des Vermessungsamts und die Aufgaben von Geoinformation Stadt Bern:
Am Freitag, 10. Mai 2019, von 14 bis 19 Uhr stehen die Türen von Geoinformation Stadt Bern im «Beerhaus» an der Bümplizstrasse 45 für Interessierte offen. Besucher*innen können an einer digitalen Schatzsuche mitmachen, die Stadt virtuell umbauen oder sich vermessen und als 3D-Modell darstellen lassen.