Heute im RaBe-Info gehts um eine Schweizer Comic-Zeichnerin im Südsudan und die Debatte um die Zukunft der Schweizer Satire nach der Übernahme des Nebelspalters durch Markus Somm.
Den Podcast gibt es hier:
Schlangen am berühmten «Fumetto»-Comicfestival
Das Hilfswerk Ärzte ohne Grenzen unterstützt seit vielen Jahren das Fumetto Festival in Luzern und nimmt jeweils einen Illustratoren oder eine Comiczeichnerin mit auf ferne Missionen. Letztes Jahr ging die Zeichnerin Eva Rust mit „Ärzte ohne Grenzen“ in eines der ärmsten Länder der Welt, den Südsudan. Durch die Zeichnungen sollen schwierige, uns fremde Themen, in der Schweiz bekannter werden. Eva Rust reiste mit Ärzte ohne Grenzen nach Agok, wo die Organisation ein Spital unterhält. Die grosse Gefahr, neben der erdrückenden Armut, sind giftige Schlangen, die in der Regenzeit aus den Ritzen im Boden kommen und bis in die Häuser der Menschen schleichen. Gegen viele Schlangengifte gibt es auch ein Gegengift. Doch, wie Eva Rust im Interview mit RaBe Info erklärt, ist das Spital in vielen Fällen zu weit weg und das Gegengift viel zu teuer. Die Folgen sind Amputationen und Erblindungen, bei der Zahl der Schlangenbiss-Todesopfer handelt es sich gemäss WHO jährlich um bis zu 138’000 Menschen weltweit.
Das Motto des diesjährigen Comicfestivals Fumetto ist „Same Same But Different“. Dazu würden auch die Schlangen passen, meint Eva Rust. Während wir hier in der Schweiz lernen, dass Schlangen mit runden Pupillen nicht gefährlich sind, sei das im Südsudan gar nicht so. Und während wir hier sofort Zugang hätten zu einem Spital, falls wir gebissen würden, sei das dort eher die Seltenheit.
Eva Rust im Interview mit RaBe-Info:
Hier gibt’s das Comic „Welcome to Agok Paradise“ von Eva Rust zu lesen. Das Fumetto Comicfestival findet vom 20. bis am 28. März 2021 zu einem grossen Teil online statt. Da man sich die Satelliten-Spaziergange vor Ort in Luzern anschauen kann, handelt es sind insgesamt um einen hybriden Event.
Wer braucht schon Satire?
Früher gehörten satirische Zeichnungen praktisch zum Inventar jeder Zeitungsausgabe, heute haben sie vielfach einen schweren Stand. In Frankreich wurden 2015 aufgrund einer Mohammed-Karikatur die Redaktionsräume von Charlie Hebdo gestürmt und zwölf Menschen kaltblütig ermordet. Die renommierte New York Times verbannt 2019 nach einem Shitstorm um einen Cartoon satirische Pressezeichnungen komplett.
Weltweit eines der ältesten Satiremagazine ist der Schweizer Nebelspalter, der 1875 ins Leben gerufen wurde. Letzten Dezember geriet der Nebelspalter in die Schlagzeilen, als bekannt wurde, dass der Journalist, Publizist und Verleger Markus Somm das Satiremagazin aufgekauft hatte. Somm war zuvor unter anderem als stellvertretender Chefredaktor der Weltwoche tätig und zusammen mit Christoph Blocher und Rolf Bollmann Besitzer der BaZ. Er positioniert sich selber politisch rechts der Mitte.
«Das Problem ist nicht Somms politische Position», sagt Tom Künzli, der über ein Jahrzehnt lang unter dem Namen TOMZ für den Nebelspalter zeichnete und letzten Dezember nach der Ankündigung der Übernahme seinen Austritt gab. Problematisch sei vielmehr, dass Somm Investoren im Rücken habe, die beträchtliche Summen investiert hätten und nun auch Berichterstattungen aus einer bestimmten Perspektive erwarteten.
Am Donnerstag 18. März ging die neue Nebelspalter-Plattform unter dem Etikett «klar liberal» online. Somm hatte angekündigt, das Portal nach dem Vorbild von «Canard enchaîné» gestalten zu wollen, also eine Mischung aus Satire, Karikatur und Comedy sowie streitbarem tagesaktuelle Journalismus zusammenzubringen. Das klinge zwar gut, sagt Tom Künzli, aber: «Somm hat keine Ahnung von Satire und es war nie seine Absicht, diese als gleichwertigen Teil einzubinden.» Entsprechend muss man auf der neuen Online-Plattform des Nebelspalters tatsächlich weit runterscrollen, bevor sich überhaupt eine Pressezeichnung finden lässt – also das, wofür die Marke Nebelspalter eigentlich steht.
Fast gleichzeitig mit der Nebelspalter-Neulancierung ging auch das Blog «Wer braucht schon Satire?» online. Darauf gibt es Pressezeichnungen zu sehen, die sich alle mit der Rolle von Satire im in der Presselandschaft beschäftigen. «Wir wollten damit unseren Unmut zum Ausdruck bringen über die Entwicklung des Nebelspalters und die Frage aufwerfen, ob es uns Satiriker*innen überhaupt noch braucht», sagt Mit-Initiator Tom Künzli.
Alleine die Beispiele des Blogs zeigen, dass satirische Pressezeichnungen kleine kommunikative Meisterwerke sind, vermögen sie es doch, einen komplexen Sachverhalt auf wenige Striche herunterzubrechen. Hinzu kommt, dass satirische Zeichnungen oft polarisieren und so einen wichtigen Beitrag zur Meinungsbildung darstellen. «Satire muss gegen alle Seiten schiessen, aber immer gegen oben, niemals gegen unten», sagt Tom Künzli.
Wenn nun ein reicher Geschäftsmann die bekannteste Satire-Marke der Schweiz kauft und diese «klar liberal» positioniert, dann stellt sich tatsächlich die Frage inwiefern eine der Kernaufgabe der Satire – das kritische Durchleuchten von herrschenden Machtstrukturen und Anprangern von Missständen– noch gewährleistet werden kann und will.
Tom Künzli im Interview mit RaBe: